Papa ante Palma
steht eine furgoneta vor unserer Tür, einer von diesen Kastenwägen, von denen man hier Tausende sieht und die man nur anhand ihrer Beulen, Kratzer und Risse unterscheiden kann. Blechblessuren holen sich hier alle Autos, dafür sorgen die engen Straßen. Zudem ist Fahrerflucht bei Blechschäden in Spanien kein strafbares Delikt.
Das Auto haben wir also, jetzt fehlt nur noch ein Haus. Das wird bestimmt ähnlich kompliziert, überlege ich, da es in Spanien keine Mietkultur gibt. Jeder hier, der ein halbwegs geregeltes Einkommen hat, ganz gleich, in welcher Höhe, kauft sich sofort ein Haus. Die Bank macht’s möglich. Zudem haftet Mietern hierzulande der Ruf an, nicht pünktlich zu zahlen und das gemietete Objekt obendrein herunterzuwirtschaften. In den kommenden Tagen schaue ich mir zwei Wohnungen und vier Häuser in der Umgebung von Palma an, während die Kinder bei Maria und Josef 1 sind und Lucia bei der Arbeit ist. Mich erwarten nichts als dunkle, schachtartige Löcher. Renovierungsbedürftig. Zu laut. Vollgestellt bis oben hin. Es ist ein Kreuz.
»Gibt’s was Neues?«, fragt Lucia am Samstagmorgen.
Sie spielt mit den quietschenden Zwillingen in einem aufblasbaren Swimmingpool auf der Terrasse. Am Wochenende bin ich für die Kinder Luft. Letztlich funktioniert eine Familie wie ein freier Markt: Das knappste Gut wird am stärksten nachgefragt. Die beiden Mädchen sind ausgelassen und wollen jeden Moment mit Lucia auskosten.
»Ja, es gibt was«, sage ich, »ein großes Haus in einem Dorf, zirka zwanzig Kilometer von hier. Das Bild im Internet ist etwas unscharf. Ich hab’s mal ausgedruckt. Wir könnten es heute besichtigen.«
»Gut«, sagt Lucia, »ich rufe sofort an.«
Das Dorf Alaró, in das wir am Nachmittag fahren, liegt am landseitigen Fuße des Gebirgszuges, der Tramuntana, inmitten einer toskanisch anmutenden Hügellandschaft. Gleich dahinter erheben sich zwei mächtige Bergschultern, durch deren Mitte sich ein malerisches Tal schlängelt. Als hätten irgendwelche Riesen einen Zugang zum Gebirge gebraucht und mitten in den Bergkamm ein Tor geschlagen. Der Anblick ist umso überwältigender, da das Tor den Blick auf den gewaltigen Puig Mayor freigibt, Mallorcas höchsten Berg, der mit seinem wohlgeformten, oft schneebedeckten Gipfel fast wie ein alpines Idyll in einem Fischbach-Gemälde anmutet. Vom Meer ist weit und breit nichts zu sehen.
Bekannt ist der Ort vor allem durch die Festung, die oben auf dem linken der beiden Tafelberge thront. Die leicht ansteigende Hauptstraße führt uns an einigen eher unspektakulären Ladenlokalen vorbei, direkt in den casco antiguo , den alten Dorfkern. Aus Asphalt wird Kopfsteinpflaster. Rechts und links von uns Blumenkübel und Touristen auf Alustühlen. Ganz schön knapp. Würden wir einem der am Straßenrand sitzenden Männer einen Apfel auf den Kopf setzen und ein Küchenmesser am Außenspiegel befestigen, könnten wir damit bei Wetten, dass ..? mit einer Apfelschälwette auftreten.
Die Fassaden der Häuser ziehen sich wie ein steinerner Vorhang langsam über der Straße zu, verengen für einen Augenblick tunnelartig die Sicht, um dann schlagartig wieder zurückzuweichen und den Blick auf die stattliche Plaza freizugeben, das unangefochtene Zentrum des Dorfes. Hier befinden sich neben Kirche und Rathaus auch weitere Cafés und der Dorfbäcker. Der ältere Dorfteil schmiegt sich so homogen an den Hang, als wäre er aus einer einzigen riesigen Gerölllawine modelliert worden – vermutlich von denselben Riesen, die auch das Tor in den Berg gehauen haben.
In unserer silbernen furgoneta folgen wir einer der Stichstraßen, die von der Plaza auf ein Café zuläuft. Laut Karte müssten wir gleich noch einmal rechts abbiegen und dann bis zum Ende der Straße weiterfahren.
»Calle d’en Mig«, rufe ich. »Hier ist es.«
»Mitsch«, sagt Lucia, »ich glaube, es wird Mitsch ausgesprochen.«
»Mitsch? Klingt irgendwie vertraut, so kölsch«, freue ich mich.
Die Straße ist derart eng, dass gerade mal ein Auto durchpasst. Nahtlos reihen sich die Dorfhäuser auf beiden Seiten aneinander, weshalb man nur schwer bestimmen kann, wo ein Haus aufhört und das nächste anfängt. Zu ähnlich sind sich die Fassaden und die Bauten in ihrer Höhe. Auf der Straße kommen uns ein paar herrenlose Köter entgegen, die aber geschickt ausweichen, als wir an ihnen vorbeifahren.
»Hier, Nummer achtzehn. Das ist es.« Lucia zeigt auf ein riesiges Haus, das höher ist als die
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