Papa ante Palma
groß geworden bin. Ich weiß auch, dass mir die Städte gar nicht groß genug sein können. Und ja, ich weiß sogar, dass du noch nie in einem gelebt hast und Tratsch, Doppelhaushälften und trostlose Bushaltestellen grauenhaft findest. Aber jetzt ist eben alles anders. Unter uns wohnt ein omnipräsenter Misanthrop, der uns nichts als schlechte Nachrichten überbringt. Im Altertum hätte man Pau dafür geköpft, und ich bin ehrlich gesagt auch kurz davor. Der Straße wegen haben wir die Schallisolatoren aus meinem Studio vor die Fenster gehängt. Unsere Kinder wissen nicht, wie ein Baum aussieht, und ich muss zwölf Gitarren in einen sechs Quadratmeter großen Raum quetschen. Das riecht regelrecht nach Dorf.«
»Das heißt aber auch, dass ich ein Auto brauchen werde. Und wir das Meer nicht mehr vor der Tür haben werden.«
»Das mit dem Meer nehme ich gerne in Kauf«, nuschele ich, den Schweinekopf wieder vor Augen.
»Na, dann los, lass uns ein Auto kaufen und aufs Land ziehen«, sagt Lucia kurz entschlossen.
Gesagt, getan. Allerdings gestaltet sich der Autokauf schwieriger als gedacht. Ein gebrauchter Wagen soll es sein, praktisch, familiengerecht, sicher … langweilig.
Entgegen meiner Erwartung ist der Gebrauchtwagenmarkt mehr als überschaubar. Ich habe bisher angenommen, dass die Mietwagenfirmen alljährlich ganze Flotten von Mietwagen ausmustern und auf den Markt werfen. Ein Händler hat mir das irgendwann mal telefonisch bestätigt, nicht ohne jedoch zu ergänzen, dass die Firmen die Autos größtenteils exportierten. Und zwar ausgerechnet nach Deutschland.
Zunächst rufe ich ein paar private Anbieter an, die ich aus der Zeitung und dem Internet fische. Es ist jedes Mal die gleiche Story. Jemand bestellt mich zu irgendeinem Supermarktparkplatz, am besten zu einer Zeit, wenn nicht so viel los ist. Die Verkäufer sind samt und sonders schmierige Typen mit Sonnenbrillen, Lackschuhen und billigem Rasierwasser. Einige sprechen mit lateinamerikanischem Akzent, einer klingt nach Ostblock und drückt mir unfassbarerweise eine Visitenkarte mit der Aufschrift »Hai-Motors« in die Hand. Sie alle verkaufen Wagen, die sie selbst günstig angekauft haben. Fliegende Händler sozusagen.
Das schlagende Verkaufsargument, mit dem sie sich alle von den niedergelassenen Händlern abheben wollen, ist leicht verständlich. Das Autohaus gebe mir zwar eine einjährige Garantie auf schwere Mängel, halte sich jedoch niemals daran, behaupten sie unisono. Und das für einen Aufschlag von gut eintausend Euro. Genau diesen Betrag könne ich bei ihnen sparen.
»Gut«, sage ich jedes Mal, »dann mach doch mal die Motorhaube auf.«
Mit einem Ausdruck höchster Überlegenheit und Kompetenz inspiziere ich den Motorraum, linse minutenlang zwischen Kabel und zupfe an irgendwelchen Teilen herum. Immer mal wieder runzele ich die Stirn, schürze die Lippen oder rümpfe die Nase. Natürlich habe ich nicht die leiseste Ahnung, was ich da gerade in der Hand halte. Bei dem Wort Einspritzpumpe muss ich persönlich immer an das männliche Geschlechtsteil denken und bei Zylinderkopfdichtung an einen Mann, der sich der Lyrik verschrieben hat, mit einem altmodischen Hut auf dem Kopf. Dementsprechend sind meine Berührungen zu uninspiriert, zu halbherzig. Diese Schwäche nutzen die gerissenen Händler freilich sofort aus. Sie drehen den Spieß um, indem sie von den technischen Details ablassen und mich an dem Punkt treffen, der mir wirklich wichtig ist: Das Auto soll fahrtüchtig und halbwegs sicher sein, also über möglichst viele Airbags verfügen.
Nun ist ein Sicherheitsexkurs aus dem Munde eines Hallodris, der ohne zu zögern seine eigene Oma verkaufen würde, in etwa so viel wert wie der Liebesschwur einer Gottesanbeterin vor der Kopulation. Jedenfalls verspielt er damit sein letztes bisschen Glaubwürdigkeit, und der Kauf rückt für mich erst mal in galaktische Ferne.
Nach mehreren solchen Treffen gestehe ich Lucia mein Scheitern ein.
»Hier treffen Löwen auf Lämmer«, erkläre ich ihr. »Daher bevorzuge ich den deutschen Weg.«
»Was heißt das?«, hakt sie nach.
»Dass wir den Wagen bei einem mallorquinischen Gebrauchtwagenhändler kaufen, auch wenn die Garantie reine Makulatur ist. Diese Parkplatzdjangos sind hinterher sicherlich nicht mehr aufzufinden, den Händler können wir dagegen jederzeit in seinem Autohaus stellen«, füge ich als weiteren Pluspunkt hinzu. Wenigstens das.
»Geht klar«, sagt sie nur.
Zwei Wochen später
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