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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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alles.«
    »Ist das Haus derzeit bewohnt?«, will Lucia wissen. »Es wirkt fast ein bisschen so.«
    »Nein«, sagt Marta und stockt. »Es ist das Haus unserer geliebten Tante Rosa, die vor über einem Jahr gestorben ist. Wir haben alles unverändert gelassen.«
    »Das tut mir leid«, sagt Lucia.
    Wie zur Bestätigung nickt Aina, die neben mir steht, wobei sich ihr gerade noch lächelndes Gesicht verzieht und ihr zwei Tränen über die Backen laufen.
    »Wir vier sind sehr oft hier gewesen und haben mit Rosa gespielt oder gemalt. Es war wie unser zweites Zuhause.«
    Montserrat legt kurz die Hände ineinander und blickt melancholisch zu ihrer Schwester hinüber.
    »Nun denn, fangen wir doch gleich mit dem ersten Raum an«, schlägt Marta vor.
    Wir gehen mit den Frauen ein Stück zurück in Richtung des Eingangs, und Marta öffnet die erste Flügeltür. In dem Raum stehen zwei schlichte Betten mit stramm gespannten Tagesdecken, ein Nachttischchen und ein kantiger, dunkler Schrank. Sehr spartanisch. Marke Klosterschule.
    »Das war ihr Schlafzimmer.«
    »Gästezimmer«, flüstert mir Lucia ins Ohr.
    »Gästezimmer?«, hallt es glockig in mir nach. Nachdem wir in Palma auf engem Raum fast wöchentlich Besuch aus Deutschland bekommen, klingt das Wort wie eine Verheißung.
    »Von hier gibt es einen direkten Durchgang zu einem der Bäder. Bitte folgt mir.«
    Kurz darauf stehen wir in einem typischen Omabad. An den Wänden hellbraune Kacheln mit verspielten Blumenornamenten. Über dem Waschbecken ein länglicher Badheizstrahler à la Dönergrill. Anti-Rutschmatte im Badewannenboden. Haltegriffe an der Wand. Alles sehr gut in Schuss.
    »So, dann gehen wir mal weiter ins Esszimmer. Wenn ihr mal schauen wollt.« Marta genießt die Vorführung sichtlich.
    Der Raum ist geradezu museal. Der Tisch sieht aus wie vom Set zu Die Ritter der Tafelrunde entwendet. Gigantisch. Ich zähle vierzehn Stühle. Von der Decke hängt ein schwarzer gusseiserner, mit geschmiedeten Dornen und Zacken besetzter Kandelaber, bei dem man allerdings die echten Kerzen durch Plastikimitate ersetzt hat. Sollte dieses Ding mit seiner eigentümlichen Folterkammerästhetik jemals herunterkrachen, würde es alle am Tisch aufspießen. Das Ding könnte also, je nach Besuch, noch mal richtig nützlich werden.
    An den Wänden stehen Bauernschränke und Vitrinen der rustikalsten Art, die nur noch von den unzähligen Kelchen und Spitzendeckchen darin übertroffen werden. Der Raum scheint unter der Last der vorhandenen Gegenstände förmlich zu ersticken.
    »Ich finde diese Holzbalken toll, die hier in allen Räumen unter den Decken entlanglaufen«, versuche ich dem Ganzen noch etwas Positives abzugewinnen.
    »Die heißen vigas vistas und sind ganz typisch für Mallorca, ebenso wie für einige andere Teile Spaniens«, erklärt Montserrat.
    Lucia schaut mich entsetzt und fast sogar ein wenig resigniert an. Eigenartig, den Blick kenne ich noch gar nicht. In all den Jahren, die wir zusammen sind, kam er bisher nicht ein Mal vor. Offensichtlich habe ich mit meiner Unwissenheit über die Balken ihre spanische Seele tief getroffen. Auf die Art habe ich selbst, glaube ich, erst ein Mal einen Menschen angesehen. Das war vor etwa vierzehn Jahren in einem Supermarkt in Cleveland/Ohio, als der Mann an der Kasse zu mir sagte: »Oh, wow, aus Deutschland kommen Sie. Ist das nicht die Hauptstadt von Österreich?«
    »La cocina« , sagt Marta und stößt den nächsten Holzflügel auf.
    Die Küche beherbergt ein Sammelsurium aus verschiedenen Designepochen. Es beginnt etwa 1880 und hört um 1950 auf. Kein Teil passt zum anderen. Das gefällt mir. Marta öffnet eine massive, schrumpelige Tür, bei der man die obere Hälfte wie ein Fenster aufklappen kann. Sie führt von der Küche direkt in den Innenhof.
    »Bitte, hier entlang geht es in den Patio samt Garten«, sagt sie und schreitet voran.
    Wir folgen ihr.
    »Es ist herrlich!« Ich atme tief ein und aus, als hätte der Innenhof eine ganz besondere Luft zu bieten, die jener auf der Zugspitze in nichts nachsteht. »Das ist ja alles noch viel größer, als ich dachte«, stelle ich begeistert fest.
    Ein geräumiger, schattiger Innenhof, in dessen Mitte ein antiker Brunnen steht, bildet zusammen mit dem sonnendurchfluteten Garten das Zentrum der vivienda , umrahmt von den weiß verputzten Wänden des Hauses. Ich steige mit den Kindern die kleine Treppe zum Garten hoch. Im vorderen Teil liegen zwei Beete brach, auf denen einst sicher

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