Papa ante Palma
ab«, erkläre ich den Kindern. »Solange bleiben wir hier bei dem
Papagei und malen etwas.«
Die Kinder sind einverstanden.
Nur eine Viertelstunde später klopft es wieder an
der Haustür.
»Come in« , rufe ich
aus dem Kaminzimmer, »wir sind hier drüben.«
Ich höre, wie jemand die Klinke herunterdrückt
und die Haustür langsam öffnet. Dann sind mächtige, langsame Schritte im Flur zu
vernehmen, die den Boden zum Schwingen bringen. Zwischen den einzelnen Schritten
ein pfeifendes Schnaufen.
»Hello?« , rufe ich,
um mich zu vergewissern, dass es auch wirklich die Engländer sind, und nicht
Godzilla.
Keine Antwort.
Als Erstes sehe ich den Bauch, der sich wie in
Zeitlupe von rechts in mein Blickfeld schiebt. Eigentlich ist es gar kein Bauch,
sondern eine Art Wulst, die vor dem Schritt her wabert. In der Mitte scheint die
Wulst gekerbt zu sein, so, wie ein handelsüblicher Arsch. Über eine Rundung geht
sie in ein fast vertikales Plateau über, auf dem man prima ein menu del día , ein Tagesmenü, hätte abstellen können.
Danach steigt das Ganze einem Fließheck gleich bis zu den beiden gigantischen
Brustbatzen an, die tonnenschwer und müde auf den seitlichen Ausläufern des
Bauchplateaus lagern, so, wie alte Bergstürze auf einem Gletschertal.
Eine grüne Cordhose hält das Ganze untenherum
zusammen und wird nach oben hin von einem zeltartigen Sweatshirt abgelöst, auf
dem die Muppets posieren. Auf diesem elefantösen Zellgebilde sitzt ein Kopf. Das
ist Howard. Und zwar nur der Kopf. Irgendwie scheint das restliche Gewebe nicht
zu ihm zu gehören. Es wirkt eher wie ein schrilles Kostüm. Howard hat Locken,
einen Bart und trägt eine Brille. Sein sehr freundliches und wohlmeinendes
Gesicht wirkt etwas in die Länge gezogen, so, wie man es mit diesen
Spaßprogrammen für Fotos am Computer gerne macht.
Als der Engländer den Raum betritt, fällt sein
Blick sofort auf den Vogel. »Vivien!«, schreit er und fällt auf die Knie, was
sich als Drahtseilakt herausstellt, da er sich mehrfach mit den Armen abstützen
muss, um nicht lang aufzuschlagen. Zusammen mit den Zwillingen rücke ich ein
wenig zur Seite. Aus Respekt vor diesem Naturschauspiel.
Howard liebkost zärtlich den Kopf des Vogels. »My tiny baby« , schluchzt er, gräbt beide
Handteller unter den Papagei und hebt ihn vors Gesicht, wie jemand, der nach
einer Wüstendurchquerung aus einer Quelle Wasser schöpft.
»Es tut mir so leid«, sage ich.
»What?« Howard dreht
sich um. Offensichtlich hat er uns jetzt erst registriert. Er legt den Vogel ab,
stemmt einen Fuß auf den Boden und hievt sich hoch. Schnell reiche ich ihm die
Hand.
»No« , sagt er
schnaufend. »No!«
»Doch, es tut mir leid. Wirklich.« Ich sehe, wie
sehr Howard an dem Tier hängt.
»Nein, mir tut es leid«, brummt Howard und
richtet beide Zeigefinger auf seine Monsterbrüste. »Er hätte nicht hier vor dir
und den Kindern sterben sollen.«
» Nooo , mir tut es
leid«, wiederhole ich seine Geste. » He was more than a bird
for you . Was wird nun aus den Ferien mit Charly?«
»Charly sitzt draußen im Auto. Mach dir keine
Sorgen wegen der Ferien.«
Doch bei dem Wort holidays fangen Howards Lippen plötzlich an zu zucken, und Tränen
schießen ihm in die Augen. Kurz darauf öffnet er behäbig die Arme zu einer
Umarmung. Ein Angebot, das ich liebend gerne annehme, da ich immer Trost
vertragen kann. Nicht wegen des gerupften Sittichs, sondern wegen der unzähligen
Nicht-anziehen-wollen-, Nicht-essen-wollen- und
Nicht-ins-Bett-gehen-wollen-Kämpfe mit meiner eigenen Brut. So lasse ich mich
einfach in Howard fallen, wie Sophie das immer bei den Hüpfburgen auf den
Supermarktparkplätzen macht.
Der Engländer ist unglaublich weich. Er hat
geradezu Wasserbettqualität. Da ich um einiges größer bin als er, kann ich ihn
sogar umarmen, indem ich mich stark vorbeuge. In dieser Haltung müssten wir eine
perfekte Ying-und-Yang-Kugel abgeben. Seine Locken kratzen mich leicht am Hals,
und aus dem Spalt zwischen dem Sweatshirtkragen und dem Nacken entweicht ein
süßlich-warmer Geruch. Aber das sind wahrlich zu vernachlässigende Störsignale
in dieser rundherum gelungenen Zeremonie. Zusammen vergießen wir ein paar
Tränen, und tätscheln uns tröstend auf den Rücken, dann ist es vollbracht. Wenn
Männer sich einmal umarmen, ist das ein Bund fürs Leben. Da braucht es keine
Worte mehr.
Howard bückt sich, nimmt den Vogel, der
mittlerweile steif wie ein Staffelstab ist, in die eine und
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