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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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Option.
    Die Oberfläche, auf der sie lag, fühlte sich hart an. Wahrscheinlich bestand sie aus Metall. Jeder Knochen in ihrem Körper schmerzte. Wie lange lag sie schon hier? Stunden? Tage?
    Wieder erfasste sie Panik, und der Gedanke, lebendig begraben worden zu sein, trat stärker an die Oberfläche, als ihr lieb war. Was war das für ein Raum um sie herum? Das hereinfallende Licht war nicht kräftig genug, um Konturen auszumachen. Hatte man sie aufgebahrt? In einer Leichenhalle vielleicht?
    Vielleicht hatte sie jemand gefunden, und der herbeieilende Arzt hatte sie für tot erklärt?
    Vorsichtig hob sie einen Arm. Sofort schoss ein brennender Pfeil in ihren Kopf und trieb ihr die Übelkeit in den Magen. Offenbar hatte es sie schlimm erwischt, aber nicht so schlimm, wie sie vermutet hatte. Zumindest war sie nicht gefesselt.
    Auch der andere Arm ließ sich bewegen. Sie atmete flach und konzentriert, um ihren Magen nicht in Aufruhr zu versetzen, und streckte den Arm weit nach oben. Kein Hindernis war ihr im Weg. Erleichtert ließ sie den Arm zurückfallen. Der Raum, in dem sie lag, war größer, als sie befürchtet hatte.
    Größer als ein Sarg?
    Michelle wollte nicht weiter darüber nachdenken. Sie hatte die Sache überlebt. Das musste genügen.
    Ja, aber
er
hat es nicht überlebt.
Ihn
hast du kaltblütig ermordet.
    Tränen sammelten sich in Michelles Augen, die in die Dunkelheit starrten, als lauerte darin eine Weisheit, die sie nicht begreifen konnte. Nein, sie war keine Mörderin. Sie hatte doch keine Wahl gehabt!
    Ja, mach dir ruhig etwas vor, Michelle.
Du bist immer noch das arme Opfer, nicht wahr?
    Sie gab einen Laut von sich, der gesättigt war von Leid und Vorwürfen. Hier, allein im Raum, klang er hohl und unbedeutend.
    Vorsichtig setzte Michelle sich auf. Immer mehr Pfeile prasselten auf sie ein, und der Türspalt verschwamm vor ihren Augen. Sie verkrampfte, bis die Muskeln zitterten. Doch der Schmerz überdeckte die Schuld, betäubte sie für eine Weile.
    Sie stieg vom Tisch und versuchte, die Tür zu öffnen. Natürlich war sie verschlossen. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie ein paar Konturen ausmachen. Der Raum war so niedrig, dass sie mit etwas Mühe die Decke berühren konnte, aber groß genug, um ein Wohnzimmer unterzubringen. Es gab keine Fenster und keine Lüftungsgitter. Und auch sonst war der Raum leer. Die Wände bestanden aus nacktem Beton, ebenso der Boden. Soweit sie das bei dem Licht beurteilen konnte, wies die Tür weder Rost noch Beulen auf. Sie wirkte neu und wenig gebraucht.
    Dies war nicht die Lagerhalle, so viel konnte Michelle sagen. Wahrscheinlich wurde sie in einem Rohbau festgehalten. Nur was nützte ihr die Information? Wichtig war einzig und allein, dass sie gefangen war.
    Erschöpft setzte sie sich auf den Metalltisch und betastete die pochende Stirn, auf der sich eine ordentliche Beule gebildet hatte. Mittig fühlte sie rauhe, feuchte Ränder, wo die Haut aufgeplatzt war. Zum Glück schien sie keine schlimmeren Verletzungen zu haben, dennoch waren die Schmerzen schlimm genug.
    Michelle hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Nur der dunkler werdende Türspalt sagte ihr, dass es langsam Nacht wurde. Wie lange würde Tom sie festhalten wollen? Sie hatte alles getan, was er verlangt hatte. Die Gewissheit, dass sie nun nichts mehr tun konnte, war beruhigend. Als ihr das klar wurde, bemerkte sie, dass sie keine Angst spürte. Als hätte das Bolzenschussgerät jegliche Furcht aus ihr herauskatapultiert.
    Nur der Gedanke an Lilly ließ ihr Herz schneller schlagen und den Schmerz in ihrem Kopf härter pochen. Was aus ihr, Michelle, würde, war ihr inzwischen egal, aber was sie durchlitten hatte, durfte nicht umsonst gewesen sein. Nur was sollte sie jetzt machen?
    Durch die Mauer, dumpf und kaum hörbar, drang der Klang eines herannahenden Autos. Michelle hielt den Atem an. Das Brummen kam näher, wurde unwesentlich lauter und erstarb.
    Eine Hand auf den Mund gepresst, lauschte sie. War es jetzt so weit?
    Eine Wagentür schlug. Wenig später eine schwere Eisentür. Dann war es wieder ruhig. Wenn es Tom war, was hatte er vor? Warum kam er nicht her?
    Und wenn es nicht Tom ist? Es könnte ein Arbeiter sein, der etwas auf dem Bau vergessen hat.
    Michelle sprang auf die Füße und ging vor Schmerzen zu Boden. Stöhnend hielt sie sich den Kopf. Vor ihren Augen flimmerte es. Ihr Kopf schien aufzureißen, und sie presste ihn seitlich auf den kalten Boden. Ihre

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