Papa
Tasche und schleuderte sie zurück auf Lillians Schoß.
Das metallische Klimpern ließ Tommis Kopf herumwirbeln. Er trat auf die Bremse, und der Wagen blieb oben auf dem Hügel stehen. Der Vollmond spiegelte sich auf der rauhen Wasseroberfläche des Sees, der sich schwarz vor ihnen erstreckte.
»Was ist da drin?«, schrie er, und an seiner Schläfe trat eine Ader hervor. Es gab keinen Moment, in dem sie ihn so sehr hasste wie in diesem. Alles hatte er kaputtgemacht, so viel Leid hatte er verursacht. Sie dachte an ihre Mutter, die noch immer gefangen war und sich wahrscheinlich trotzdem Sorgen um sie machte.
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie reagierte einfach. Ihre Hand glitt in die Tasche und holte Handschellen heraus. Tommi umklammerte noch das Lenkrad, als es zweimal klackte.
Er war gefangen. Verdutzt schaute Tommi auf seine Hände. Wie hatte dieses Miststück das angestellt? Er grabschte nach ihr mit der freien Hand, doch er kam nicht an sie heran. Er hätte sie viel früher loswerden sollen. Er war zu gutmütig, eben wie ein Vater. Das hatte er jetzt davon.
Lillian stieg aus, schlug die Wagentür zu und verharrte einen Moment. Dann ging sie um das Auto herum und riss die Fahrertür auf. Ihre Hände zitterten. Das, was sie tun wollte, war so falsch, doch er hatte eine Abreibung verdient. Er sollte sich sein Leben lang an diesen Moment erinnern, da ihn ein kleines Mädchen besiegt hatte.
»Mach mich sofort los, verdammt«, schrie er und leckte sich die Spucke ab, die ihm aus dem Mundwinkel lief. »Was zum Teufel hast du vor?« Er zerrte an den Handschellen.
Lillian hob die Faust. Eine Klinge ragte aus ihr hervor. Das Mondlicht wanderte über die Schneide, und für einen kurzen Moment sah er seine eigene Fratze. Verzerrt und bleich.
Er hatte keine Angst. Sie war nur ein kleines Mädchen mit einem großen Messer. Sie würde nicht zustechen. Selbst mit einer Hand war er stärker. Wie wollte sie gegen ihn ankommen? Er wartete auf den richtigen Moment. Seinen Plan konnte er vorerst vergessen.
Lillian trat einen Schritt an ihn heran. Er sagte kein Wort. Ihre Angst konnte er riechen, und er lauerte, wie er es schon viele Male getan hatte. Die gefesselte Hand umklammerte das Lenkrad. Der Arm war angespannt. Er musste dieses Messer in die Finger bekommen. Egal wie.
»Bewegst du dich, ramme ich es dir in den Kopf. Hast du das verstanden?«, fragte Lillian und rückte noch näher heran. Ihre Haut war angespannt. Jeder Muskel darunter arbeitete auf Hochtouren.
Am liebsten hätte sie das Messer fallen lassen und mit beiden Händen zugepackt. Ihre Wut war betäubend, verdrängte jeden klaren Gedanken. Ihre Unterlippe vibrierte.
Im Augenwinkel sah sie eine Bewegung.
Ihr Blick dauerte nur eine Sekunde, doch er ging in die falsche Richtung. Tommi lachte innerlich. Das Schimmern des Mondes auf dem See konnte ja so verdammt ablenkend sein.
Er war blitzschnell. Seine Hand legte sich um ihren Hals und drückte zu. Vor ihren Augen schwirrten Sterne. Sie bekam kaum noch Luft.
Er zog sie zu sich, drückte ihren Kopf mühelos gegen das Lenkrad, um ihren Hals mit der anderen Hand zu greifen.
»Lass mich los, du Arschloch, oder ich schlitz dich auf«, gurgelte sie. Das Sprechen fiel ihr schwer. Was hatte sie sich hierbei nur gedacht? Sie war so dumm. Gott, war sie dumm. Aber er war gefesselt, verdammt. Sie hatte doch schon gewonnen.
Es ekelte sie an, so dicht bei ihm zu sein. Seinen Pfefferminzatem zu riechen. Sie wehrte sich, strampelte mit den Beinen, doch alles fühlte sich so taub an. In seinem Griff schien sie völlig verloren zu sein. »Wenn. Du. Mich. Nicht. Loslässt. Lass ich dich. Im Auto. Verrotten!«, presste sie hervor und rang nach Luft.
Tommi biss die Zähne aufeinander. »Wenn du mich nicht sofort von den Handschellen befreist«, zischte er, »breche ich dir das Genick.«
Lillians Füße suchten Halt. Ihr Kopf dröhnte, und sie konnte sich kaum noch rühren. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie wollte sich übergeben.
Aber nicht jetzt. Nicht jetzt! Sie hielt das Messer so fest sie konnte, weit weg von seiner Hand. Sie fühlte, wie er danach tastete, aber noch kam er nicht heran.
Wenn sie ihn verletzen wollte, musste sie es schnell tun. So schnell, dass er nicht auf die Idee kam, ihr das Messer abzunehmen. Dann würde er sie loslassen, und sie konnte wegrennen.
Würde er sie weiter festhalten, das war ihr mit schrecklicher Gewissheit bewusst, würde sie sterben. War es nicht so? Dumme
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