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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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schossen.
    »Lilly!«, schrie sie, doch ihre Tochter war erneut unerreichbar geworden.
    Die Straße machte weit hinten einen Knick und führte auf den Wald zu. Vielleicht konnte sie den Weg abkürzen, wenn sie querfeldein lief?
    Ohne lange zu überlegen, machte sie kehrt und rannte auf den Waldrand zu. Sie sprang über den Zaun und tauchte zwischen den Bäumen durch.
    Sie lief, so schnell sie konnte. Jeder Muskel schrie. Jeder Schritt war wie ein Peitschenhieb, aber wie eine Motte vom Licht angezogen wurde, ohne sich dagegen wehren zu können, so lockten Michelle die Autoscheinwerfer, die immer wieder zwischen den Baumstämmen aufflackerten.
    Die Straße schlängelte sich durch den Wald. Mit etwas Glück konnte sie den Weg abkürzen und sich vor den Wagen werfen.
    Bald schon bluteten ihre Füße, und dorniges Gebüsch schnappte nach ihren Waden. Ihre Lungen brannten. Ihre Augen suchten hektisch nach Hindernissen, die in der Dunkelheit kaum auszumachen waren.
    Die Lichter verschwanden hinter Hügeln, tauchten aber bald wieder auf. Michelle konnte nicht mehr. Ihr Körper wollte mehr Sauerstoff, doch sie hatte kaum noch die Kraft, zu atmen. Sie wurde langsamer und blieb schließlich vornübergebeugt stehen. Aufgestützt auf ihren Knien rang sie nach Luft. Speichel lief ihr aus dem Mund, aber das war egal. Alles war egal. Das Auto war fort. Und Lilly auch.
    Als sie wieder ein wenig Kraft gesammelt hatte, ging sie weiter. Immer geradeaus. Sie wollte nicht aufgeben, dafür war sie schon zu weit gegangen.
    Irgendwann lichtete sich der Wald. Links von Michelle erstreckte sich eine Wiese über eine Anhöhe und fiel geradehin zu einem See ab.
    Sie rannte zum Ufer.
    Wohin jetzt?
    Der Mond schaute zaghaft hinter ein paar Wolken hervor und brachte das Wasser zum Glühen.
    Wie eine Motte folgte Michelle der Einladung und stieg hinein. Es war eiskalt und es peitschte ihr neues Leben ein.
    Jetzt nur nicht aufgeben, Michelle. Du warst doch schon so nah dran.
    Michelle steckte den Kopf in den See, und für einen kurzen Augenblick gab es nur sie und das Wasser. Dann tauchte sie wieder auf und sah, dass sie Lilly näher war als gedacht.

[home]
    Kapitel 44
    B äume tauchten im Scheinwerferlicht auf, rasten rechts und links an Lillian vorbei und verschwanden wieder in der Dunkelheit.
    Sie biss auf ihrer Unterlippe herum. Hoffentlich hörte Tommi nicht das metallische Klimpern in ihrem Rucksack. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, das Monster neben sich zu töten, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto unmöglicher erschien es ihr.
    Er hatte ihr immer wieder gezeigt, wie erbarmungslos er sein konnte, wie stark und unnachgiebig. Sie musste nur ein wenig zögern, und er würde ihr – da war sie sich sicher – das Genick brechen. Nein, töten kam nicht in Frage. Sie hatte etwas anderes vor. Es sollte genügen, wenn er aus dem Spiel genommen würde.
    Sie fuhren an dem Ortsschild Ruhrbach vorbei und bogen nach links in eine holprige Nebenstraße. Diese Gegend kannte sie nicht. Sie wusste nur, dass irgendwo in der Nähe ein See war.
    Lillian schob eine Hand in die Tasche und fühlte das Metall darin. Eigentlich gehörte es dem Polizisten, der im Keller gelegen hatte, doch der hatte keine Verwendung mehr dafür. Es würde eine schöne Überraschung für Tommi werden. Sie musste nur die richtige Gelegenheit abwarten.
    Der Wagen hüpfte auf und ab. Sie ließ das Metall los und drückte die Tasche fest an sich. Es durfte nicht klappern.
    Tommi neben ihr konzentrierte sich auf die Straße. Er fuhr schnell. Der Untergrund war uneben, von Wurzeln durchsetzt. Die Sicht war schlecht, und dennoch vermied er es, die Bremse zu treten.
    Der Wald, den er mehr erahnte, als dass er ihn sah, wurde lichter, öffnete sich zu einem Weizenfeld und fiel zurück. Der schmale Feldweg schlängelte sich einen Grashügel hinauf, der oben steil zum See abfiel. Die Stelle war perfekt, um kleine Mädchen loszuwerden. Dort war der See, kalt und tief.
    Kleine Mädchen hatten dort nichts verloren. Und wenn doch, ertranken sie manchmal. Er grinste.
    Die Reifen gaben ein dumpfes Schlagen von sich, als sie durch eine Pfütze fuhren. Ein Gefühl wie in der Achterbahn schoss durch Lillians Magen, sie ließ die Tasche los, um sich festzuhalten. Das Wagenheck sprang ein Stückchen in die Luft, die Tasche hob ab, als wollte sie davonfliegen.
    Hätte sie es nur getan.
    Lillian begriff, dass ihr Vorhaben in Gefahr geriet. Dass
sie
in Gefahr geriet. Die Schwerkraft packte die

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