Papa
schon schlecht war?
Es half nichts. Mit einem Satz sprang er auf, presste eine Hand vor den Mund, stürzte durch das Labor zur Toilette und schaffte es mit Mühe, sein Frühstück an das Klo zu übergeben. Sein Magen krampfte sich mehrmals schmerzhaft zusammen und erzeugte ein hohles Geräusch, das durch die Toilettenschüssel unangenehm verstärkt wurde. Der Geschmack von Currywurst, der nun penetrant seinen Mund ausfüllte, sorgte für einen weiteren Schwall, der platschend im Wasser landete. Mit den letzten Wurststückchen verschwand auch der Brechreiz.
Erschöpft sackte Robert vor der Toilette zusammen und verschnaufte. Gott, das war so peinlich. Wieder kam dieser Gedanke, dass er als Polizist völlig ungeeignet war. Zumindest in dieser Position.
Besorgt steckte Maik den Kopf durch die Tür. »Na Roadrunner, alles in Ordnung?«
Robert brachte nur ein Stöhnen zustande.
»Die Frau Doktor hat ein paar unschöne Bemerkungen fallen lassen.«
Dr. Emily Gäter. Die Ärztin vom Tatort. Zynisch, sarkastisch und ausgesprochen hübsch. »Die Frau Doktor kann mich mal.«
Maik grinste. »So? Ich fürchte, das musst du dir abschminken. Du siehst scheiße aus.«
Robert schluckte einen Kloß hinunter und lehnte sich an die Wand. Die kühlen Fliesen im Rücken taten gut. Nach und nach fühlte er sich wieder lebendig. »Da habe ich wohl was Falsches gegessen.«
»Ja, sag ihr das. Das wird sie überzeugen, dich nicht so hart ranzunehmen. Sie ist übrigens fast durch. Nur noch ein paar Routineuntersuchungen, dann können
wir
ran.«
»Hm«, machte Robert und stemmte sich vorsichtig an der Wand hoch. »Wessen Idee war es überhaupt, bei
diesem
Teil der Obduktion dabei zu sein? Hätte es nicht gereicht, später vorbeizukommen, wenn die alte Frau Ried wieder zugeknöpft ist?«
»Nein. Junge Leute wie du stürzen sich mit vollem Körpereinsatz in die Arbeit und stecken auch schon mal den Kopf in das verfaulte Fleisch einer alten Dame.«
Robert spürte, wie die Übelkeit zurückzukommen drohte. »Hör bloß auf. Junge Leute wie ich.« Er schleppte sich zum Waschbecken und wusch sich das Gesicht. Dann schluckte er etwas kaltes Wasser.
Als es ihm besser ging, nickte er seinem Kollegen zu, unter dessen Bart er ein unglaublich breites Grinsen vermutete. Er verstand es, so was zu verbergen. »Dann lass uns mal weitermachen. Ich kann es kaum erwarten, was die hübsche Frau Doktor Gäter für hässliche Dinge zu sagen hat.«
Maik hielt die Tür auf, ließ ihn vorbei und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »Das wird schon.«
»Halt einfach die Klappe. Du redest doch sonst nicht so viel.« Das stimmte. Irgendetwas lag in der Luft, das seinen Kollegen bewegte. So fröhlich hatte er ihn selten erlebt. Etwas sagte ihm, dass es was mit Maiks Exfrau zu tun hatte, und er hatte eine Ahnung, was es war. Maik bot sich hier eine weitere Chance, den starken Beschützer zu mimen. Er war nie über Michelle hinweggekommen und klammerte sich an jede Kleinigkeit, die sich ihm bot.
Hier bot sich ihm mehr als nur eine Kleinigkeit.
Zurück am Obduktionstisch, zog Dr. Gäter gerade die Gummihandschuhe aus. »Ah, Herr Bendlin, willkommen zurück«, sagte sie und musterte Robert interessiert. »Sie mögen keine älteren Frauen, was?«
Der Geruch war größtenteils verflogen und die Leiche zugenäht. Die Chancen, die restliche Arbeit durchzustehen, standen nicht schlecht. »Ehrlich gesagt, wollte ich mich nur überzeugen, ob ich was gegessen habe. Wenn ich intensiv arbeite, vergesse ich das manchmal.«
Gäter schob die Unterlippe nach vorne und nickte. »Und?«
»Currywurst.« Er betrachtete die Leiche.
»Zum Frühstück? Na Mahlzeit.« Gäter hatte sich Mühe gegeben, die Zeichnungen auf der Haut nicht zu zerstören. Die geraden Schnitte, die bei Obduktionen üblich sind, waren hier Schlangen- und Zickzacklinien gewichen. Unter dem Rücken quollen die Hautlappen hervor, die gestern noch wie Flügel ausgesehen hatten.
»Was war die Todesursache?« Jedes Mal, wenn er diese Frage stellte, hoffte er, dass der Täter gnädig gewesen war.
Die enthäuteten Arme sahen unecht aus. Wie billiges Make-up. Robert wandte sich ab. Selbst wenn die Leiche wie eine Puppe aussah, sein Verstand flüsterte ihm zu, dass sie ganz und gar real war und dass diese Puppe einmal gelebt hatte.
Danke, Verstand!
Emily Gäter sortierte ihr Sezierbesteck. »Sie ist verblutet«, sagte sie trocken. »Man kann den Einstich oberhalb des Brustbeins deutlich
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