Papa
erkennen.«
Robert sah nicht hin und nickte. Er musste ja nicht alles sehen.
»Wahrscheinlich nutzte der Täter ein Hohlstechmesser und stach vom Brustbein aus in Richtung Herz. Wie bei einer Schlachtung. Die Tätowierungen sowie Häutungen wurden ihr wahrscheinlich ante mortem zugefügt.«
»Ante …«
»Vor ihrem Tod«, brummte Maik.
»Ah«, Robert nickte. »Und das wissen Sie, weil …?«
Gäter stützte sich auf den Tisch und schaute ihn eine Weile von unten her an. »Weil ich am Tatort eine Blutprobe genommen habe, von dem bisschen, was übrig war. Ich habe es nach Histamin untersuchen lassen. Die Werte sind deutlich erhöht. Es tut mir leid, es sagen zu müssen, aber alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es kein schneller Tod war. Ihr Täter genießt, was er tut.«
Robert zog einen Notizblock aus der Hosentasche und klappte ihn auf. »Diese Zeichen, Schriften und Bilder sind sicher nicht umsonst auf die Dame tätowiert worden. Wie lange braucht man wohl für so eine Arbeit?«
Maik zog sich Gummihandschuhe über und betastete die zugenähten Schnitte. »Meine Schwester hat sich ein Tattoo im Nacken stechen lassen. Das hat etwa ein, zwei Stunden gedauert.«
»Dann sind für ein Körpertattoo bestimmt ein paar Tage nötig. Je nachdem, wie viel Ausdauer der Künstler hat.« Robert schloss die Augen, doch die Bilder verschwanden nicht. Seine Handflächen waren feucht. Er wischte sie an der Hose ab und zog sich ebenfalls Handschuhe an. »Warum wählte er einen Schmetterling?«
Maik blickte hoch. »Hm?«
Robert konnte durch einen winzigen Spalt zwischen zwei Stichen in das Innere der Leiche schauen. Heute Abend würde er sich einen gewaltigen Whiskey gönnen, um seinen dämlichen Verstand zu ertränken. »Der Täter. Warum ein Schmetterling? Dazu die Farben und tätowierten Linien. Wozu?«
Maik zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, vielleicht wollte er sich künstlerisch ausdrücken?«
Robert wandte sich an Dr. Gäter. »Gab es Spermaspuren?«
Sie schob den Wagen mit dem Besteck in einen Nebenraum. »Wenn ihr Täter sich an ihr vergangen haben sollte, dann hat er sich geschützt«, rief sie von nebenan. »Es gibt aber keine Zeichen einer Vergewaltigung. Keine Würgemale, keine Abwehrspuren. Er hat nur versucht, sie so lange wie möglich am Leben zu halten. Den Spuren nach dürfte sie erst kurz vor dem Aufhängen gestorben sein. Vielleicht hat sie den Gasometer sogar noch gesehen.«
Robert spürte, wie die Übelkeit erneut einen Platz in der Magengegend einforderte. »Und warum ausgerechnet sie?«, er nickte in Richtung der Leiche.
»Hm?«, machte Maik und ließ von den Nähten ab.
»Ried verschwindet aus der forensischen Psychiatrie, und am gleichen Abend wird seine Mutter grausam ermordet aufgefunden.«
»Du meinst,
er
war das? Ein Triebtäter, der mal eben ’nen Abstecher macht und seine Mutter umbringt, bevor er untertaucht?«
»Die vielen Stichwunden passen in sein Schema.«
»Ja, wenn in den Wunden Sperma gewesen wäre. Aber so?«
»Ich stelle mir das so vor: Ried flieht aus der Anstalt. Wohin? Erst mal zu Mutti. Mütter lieben ihre Söhne auch dann noch, wenn sie ihre eigenen Väter umgebracht haben. Nur diese vielleicht nicht. Es kommt zum Streit. Ried ist seit zwei Jahren auf Entzug. Seine Hemmschwelle liegt so tief, dass er jederzeit darüber stolpern könnte und es am Ende auch tut. Er beseitigt seine Mutter und kostet den ersten Mord nach zwei Jahren so richtig aus. Zack. Danach hängt er sie auf und verschwindet auf Nimmerwiedersehen.« Manchmal waren die einfachsten Gedankengänge die richtigen.
»Hm.«
»Du glaubst, es ist nur ein Zufall, ja?«
»Ja. Zumindest, bis wir einen aussagekräftigen Beweis in den Händen halten. Was zum Beispiel soll dieses Kunstgedöns?«
»Entweder soll es hübsch aussehen, oder er will etwas sagen.«
»Hm.«
Dr. Gäter kam mit einem Diktiergerät zurück. »Wenn Sie etwas Geduld haben, bekommen Sie nicht nur meinen Bericht, sondern auch eine Aufstellung der einzelnen Tattoos. Für die Zusammenstellung brauche ich eine Weile.«
»Geduld? Robert?« Maik fuhr mit den Fingern die eintätowierten Linien entlang. »Wir brauchen alle Hautpartien, die noch vorhanden sind.«
Dr. Gäter seufzte. »Soll ich sie in einzelne Stücke schneiden und zusammenheften, oder wie hätten Sie es gerne?«
Maik ging über dem Kommentar hinweg. »Fotos reichen völlig.«
Ein paar Schnappschüsse und einen heißgelaufenen Drucker später hatten sie ihre Fotos in der
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