Papa
Dann würde sich schon herauskristallisieren, ob sie so untadelig war, wie sie sich gab. Die Lippen aufeinandergepresst, zischten die Wörter aus ihrem Mund. Gallig grün. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, Herr Bendlin, dann sollten Sie das langsam tun. Ich habe wenig Zeit. Oder wollen Sie lieber Ihren Vorgesetzten reden lassen? Vielleicht gelingt es ihm ja, sich zielführend zu äußern? Was steht da Besonderes in Ihrem Notizbüchlein?«
Robert spürte eine Hitzewelle über sich hinwegschwappen. Am liebsten wäre er aufgesprungen. Stattdessen blätterte er eine Seite. »Die Spurensicherung hat Thomas Rieds Zimmer auf den Kopf gestellt, und wissen Sie, was sie gefunden haben?«
Claudia Kramme zeigte ihre Zähne, ohne zu lachen. »Ich sage Ihnen was, Herr Bendlin, ich arbeite nicht bei der Spurensicherung. Daher habe ich keinen blassen Schimmer, was sie gefunden haben könnten. Aber ich bin mir sicher, Sie werden mich sogleich informieren.«
Robert setzte sein süffisantestes Lächeln auf, das er in der Schublade hatte. »Alles zu seiner Zeit, Frau Kramme, alles zu seiner Zeit. Erst möchte ich noch auf etwas anderes zu sprechen kommen.«
»Da bin ich gespannt.«
»Das dürfen Sie. Wie Sie mitbekommen haben, wurde in seiner Zelle ein Polaroidfoto gefunden. Das ist Ihnen sicherlich im Gedächtnis geblieben, denn Sie haben ja außerordentlich unprofessionell darauf reagiert.« Claudia Kramme legte die Hände wieder zusammen. In der Häufigkeit, wie sie das tat, wirkte es einstudiert, oder es war eine nervöse Gewohnheit. Sie wirkte nicht, als fühlte sie sich in eine Ecke gedrängt, aber sie sah aus, als wäre ihr unwohl. »Natürlich erinnere ich mich. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ist das hier so üblich, dass die Insassen Snuff-Fotos mit sich herumtragen dürfen?«
Kramme schob den Unterkiefer nach vorne und schnappte nach Luft. »Snuff-Fotos?«
»Fotos von Toten. Was haben die in einer Klinik wie der Ihren verloren? Gehört das zu einer Ihrer merkwürdigen Therapien?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Woher hatte er dieses Foto dann? Sagten Sie nicht, er hätte keinen Kontakt zu Außenstehenden gehabt?«
»Ja.« Die Anstaltsleiterin verzog nachdenklich das Gesicht.
»Wie sah seine Therapie aus? Ich meine, wie therapiert man einen perversen Serienkiller?«
Sie lehnte sich nach vorne, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ihr Unterton gefällt mir nicht. Wenn Sie meine Arbeit kritisieren wollen, dann tun Sie das bitte auf dem üblichen Weg. Aber ich werde nicht hier sitzen bleiben und Ihre unterschwelligen Anschuldigungen über mich ergehen lassen.«
»In dem Zusammenhang interessiert mich, warum jemand wie Ried solche Fotos von seinen Opfern macht, die Morde gesteht, aber die Aufnahmen verschweigt? Wissen Sie, Psychologie ist so eine Art Hobby von mir. Solche Details können immer recht interessant sein.«
Kramme schnappte nach Luft. »Ein Hobby?«
»Ja, wenn ich abends abschalten will, dann wühle ich mich durch Fachliteratur.«
»Und Ihnen fällt dazu nichts ein, obwohl Sie doch so belesen sind? Ich vermute, dass Thomas Ried für die Leichen keinerlei Verwendung mehr hatte. Er hat sich an ihnen vergangen und sie geschunden. Damit hatten sie ihre Aufgabe erfüllt. Die Fotos könnten eine persönliche Note haben. Vielleicht sind sie Trophäen.«
»Ried war zwei Jahre bei Ihnen in Behandlung, und Sie können noch immer nicht sagen, welche Bedeutung solche Fotos in seinem Besitz haben könnten? Ich denke, das ist selbst für Sie eine schwache Leistung.«
»Sie sollten jetzt gehen. Wenn Sie mir vorwerfen wollen, dass ich etwas mit Rieds Verschwinden zu tun habe, dann bitte klagen Sie mich an. Aber spielen Sie mir nicht irgendeinen TV-Kommissar vor.«
Robert blieb gelassen. »Keine Sorge. Ich will mir nur ein Bild machen. Wir können auch gerne aufs Präsidium fahren. Ich für meinen Teil ziehe jedoch Ihr Büro vor.« Er ließ seinen Blick schweifen. »Sie haben ein Faible für Exotisches, nicht?«
Sie ignorierte die Frage. »Rieds Therapie war bisher ausgesprochen erfolgreich. Er hat seine Gedankenwelt in Öl gemalt. Er ist sehr konzentriert und unglaublich begabt. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen gern seine Bilder. Vielleicht hätte er Künstler werden sollen, dann wäre er nicht auf dumme Gedanken gekommen.«
»Dumme Gedanken?«, Roberts Stimme war kratzig und tonlos. »Ich glaube kaum, dass man das, was er getan hat, als
dumme Gedanken
abtun kann.«
Claudia Kramme zwang sich zu einem
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