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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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genau fünf Sekunden.« Die Stimme aus dem Handy hörte Michelle kaum noch. Alles war so unwirklich.
    »Fünf.«
    Was sollte sie zu Maik sagen?
    »Vier.«
    Wie gern würde sie die Zeit zurückdrehen, alles anders machen.
    »Drei.«
    »Michelle, bitte«, flehte Maik. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Zwei.«
    »Ich liebe dich, Maik. Es tut mir alles so leid.«
    »Eins.«
    Michelle drückte auf den Knopf, und sie spürte, wie sich der Bolzen löste. Für einen Moment hörte die Welt auf, sich zu drehen. Alles verharrte in einer grauenhaften Starre.
    Das Nächste, an das sie sich erinnerte, war die lachende, quäkende Stimme aus dem Handy. »Braves Mädchen. Damit hast du deinem Mädchen ein paar Stunden verschafft. Ich hoffe, du hast an das Taschentuch gedacht. Wisch dir doch das Gesicht sauber, und dann nimmst du bitte das zweite Bolzenschussgerät.«
    Michelle war nicht mehr in der Lage, nachzudenken. Heulend und mit schlurfenden Schritten ging sie zu der Zigarrenschachtel und nahm das zweite Gerät heraus.
    Es fühlte sich eiskalt an, und der Bolzen war gespannt.
    »Gut, kannst du die immense Kraft spüren, die diesem Werkzeug innewohnt? Leben und Tod. Man hat beides zugleich in der Hand. Huuu, da bekomme ich glatt eine Gänsehaut.«
    Michelles Blick ruhte auf dem Schatten, der vor ihr hin und her pendelte.
    »Was jetzt kommt, Michelle, hast du dir sicher schon gedacht. Dieses Mal musst du dir nicht die Mühe machen und mir meine Beute bringen. Ich werde sie abholen. Damit du nicht in die Verlegenheit kommst, mir dazwischenzufunken, werden wir uns etwas für dich ausdenken müssen.«
    Langsam schüttelte sie den Kopf, der sich heiß anfühlte. Sie hatte keine Tränen mehr, und dennoch weinte sie weiter. »Nein, bitte«, flehte sie, »das kann ich nicht.«
    »Doch, doch, das wird ein Spaß, glaub mir. Also setz doch bitte den Bolzen an deiner Stirn an, ja? Sei so gut.«
    Ihr Atem war rasselnd und kam nur noch stoßweise. Sie fasste das Gerät mit beiden Händen, um das Zittern zu unterdrücken. »Ich will nicht mehr.« Die Frage, warum er das von ihr verlangte, war längst in den Tiefen ihres Unterbewusstseins verschwunden. Es war egal.
    »Du hast es ja gleich geschafft. Wenn du so weit bist, musst du nur noch abdrücken. Ganz einfach. Nur auf den Knopf drücken. Klack. Du bist Hausfrau. Du drückst jeden Tag auf einen Knopf.«
    Michelles Kehle schnürte sich immer weiter zu. Ihre Mundhöhle fühlte sich schleimig an, ihr Kopf schien platzen zu wollen, und jeder Muskel schmerzte vor Anspannung.
    »Jetzt!«, schrie er gedehnt mit einer dämonischen Stimme.
    Aus Michelles Mund kamen unmenschliche Laute der Furcht. Ein kehliges Schluchzen, ohne Substanz. Sie hatte die Kontrolle über ihre Hände verloren, die unkontrolliert zuckten. Der Daumen drückte auf die Entriegelung, und jegliche Anspannung fiel von ihr ab.

[home]
    Kapitel 32
    M it der Zeit ließ die Betäubung in den Muskeln nach. Nur das Brennen und die Hitze blieben noch eine Weile. Solche Schmerzen hatte Robert noch nie gespürt. Es war, als hätte ihm jemand Arme und Beine zerschmettert und mit heißem Wasser übergossen.
    Vorsichtig zog er sich an einem Küchenstuhl hoch und setzte sich. Seine Finger zitterten, sein Mund war trocken.
    Alles in allem war er in einem fürchterlichen Zustand. So schrecklich hatte er sich nicht einmal gefühlt, als er noch aktiver Polizist war.
    Es ärgerte ihn, dass er Michelle hatte entwischen lassen. Zusammen hätten sie vielleicht eine Chance gehabt, Tom zu schnappen. Wer weiß, wo sie gerade war.
    Er könnte nach ihrem Auto fahnden lassen, aber dann wüsste Zellinger, dass Robert auf seine Anweisungen spuckte. Das war also keine Option. Michelle war weg. Daran war nichts mehr zu ändern. Lilly war jetzt wichtiger. Viel Zeit hatte sie nicht mehr.
    Was also konnte der nächste Schritt sein? Das Denken fiel ihm schwer. Es schienen noch zu viele fremde Elektronen vom Taser in seinem Kopf herumzuwuseln. Seine Kopfhaut fühlte sich taub an.
    Er konnte nicht allein weitermachen, so viel stand fest. Er gestand sich ein, ein Jammerlappen zu sein. Er war nicht der große Held. Auch wenn er eine Glatze hatte wie Bruce Willis, war er doch nur ein Mensch, der nicht viel einstecken konnte.
    Er brauchte Hilfe, und ihm fiel nur eine Person ein, die infrage kam. Es war nicht einfach, die Tasten seines Handys zu treffen. Seine Feinmotorik schien noch nicht gänzlich zu funktionieren. Er meisterte die Hürde dennoch und wartete, bis

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