Papa
am anderen Ende abgenommen wurde.
»Gäter.«
»Bendlin. Frau Gäter, gut, dass ich Sie erreiche. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Sie? Na, Sie haben ja Nerven. Ich habe mit Ihrer Abteilung gesprochen. Dort war man gar nicht glücklich, dass Sie in meinem Institut waren.«
»Ja, das. Das tut mir leid. Man hat mir leider keine Wahl gelassen.«
Gäter schnaubte. »Eine
Wahl
, Herr Bendlin, hat man immer. Nur sind manchmal die Konsequenzen unbequem. Warum hat man Ihnen verboten, zu mir zu kommen?«
»Sagen wir, ich habe kurzfristig Urlaub genommen.«
»Ah ja, und natürlich haben Sie in Ihrem Urlaub nichts Besseres zu tun, als einer Obduktion beizusitzen?«
»Vielleicht mache ich Bildungsurlaub?«
Sie stöhnte. »Was kann ich für Sie tun, Herr Bendlin?«
»Ich brauche einen Spitzel.«
Für eine Weile wurde es still in der Leitung. Es raschelte. »Habe ich Sie richtig verstanden?«
»Wir haben nicht mehr viel Zeit. Allein kann ich nicht weitermachen. Mein Partner ist verschwunden, und ich glaube, wir konzentrieren uns auf den Falschen.«
»Aber was habe
ich
damit zu tun?«
»Können wir uns treffen? Ich möchte das ungern am Telefon besprechen.«
Emily Gäter machte ein paar Geräusche, die Robert nicht einordnen konnte. Es hörte sich wenig begeistert an, doch schließlich stimmte sie zu.
Sie trafen sich im Institut für Rechtsmedizin, das am anderen Ende der Stadt lag. Robert brauchte eine Dreiviertelstunde bis dorthin, und inzwischen war es spät geworden.
Dr. Emily Gäters namenlose Assistentin war nirgends zu sehen, als Robert durch eine wuchtige Flügeltür ging und das Institut betrat. Es war unwahrscheinlich, dass zu so später Stunde außer Dr. Gäter noch jemand hier war.
Der Vorraum, der sich den Charme einer Lagerhalle bewahrt hatte, war kühl und dunkel. Rechts von ihm lag die Pathologie hinter einer Glasfront. Er ging darauf zu, fasste den Türknauf am Eingang und drückte. Es tat sich nichts.
Grund genug für sein Herz, die Frequenz zu erhöhen. In letzter Zeit war er schreckhafter geworden. Robert spähte durch die Scheibe, doch ein Lamellenvorhang behinderte die Sicht. Er sah nur, dass drinnen Licht brannte. Automatisch ging seine Hand zur Waffe. Erschrocken richtete er sich auf, als sie nichts fand.
Ach
, schimpfte er mit sich,
du bist ein Idiot
. Selbst wenn ihm der Job keinen Spaß machte, an gewisse Dinge hatte er sich gewöhnt. »Hallo?«, rief er und seine Stimme klang unnatürlich laut. »Dr. Gäter?«
Keine Antwort. Er holte sein Handy hervor und wählte ihre Nummer. Sie hatte ihn doch nicht vergessen?
Es klingelte hinter der Glasscheibe, aber niemand nahm ab. Robert starrte auf das Display des Telefons. Was war das heute für ein beschissener Tag? »Dr. Gäter? Hallo?«, rief er wieder laut. Niemand antwortete.
Erst Maik, dann Gäter? Hatte es jemand auf alle Beteiligten der Ermittlung abgesehen?
In der Scheibe spiegelte sich eine Silhouette, die von hinten an ihn herantrat. Zwei Hände legten sich auf seine Schultern. Robert zuckte zusammen, ging in die Knie, fasste in einer Drehung die Handgelenke des Angreifers und drückte ihn gegen das Fenster.
»Buh!«, machte Gäter und grinste breit.
»Gott!« Robert war fassungslos.
»Ja, das höre ich öfter. Langsam tun mir die Handgelenke weh.«
Robert ließ sie los und trat einen Schritt nach hinten. »Dr. Gäter, sind Sie verrückt?«
Das Grinsen hatte sich in ihr Gesicht gebrannt. »Wenn man den ganzen Tag an Leichen rumschnibbelt, bleibt das nicht aus, denke ich. Lassen Sie die Sache mit dem Doktor sein. Das macht mich alt.« Sie zwinkerte ihm zu und hielt ihm eine weiße Plastiktüte unter die Nase. »Hab uns was zu essen geholt. Anna hat schon Feierabend gemacht, wir sind allein. Mögen Sie chinesisch? Ich dachte, in Anbetracht der letzten Obduktion wäre das angemessen.«
»Verrückt!«, sagte Robert fassungslos und schüttelte den Kopf, während er sich entspannte. »Sie sind verrückt. Sie sollten einem Polizisten nicht so einen Schrecken einjagen. Aber etwas zu essen könnte ich tatsächlich vertragen.«
Gäter hob kurz die Augenbrauen, als ob sie noch mal »buh« sagen wollte, schlängelte sich an ihm vorbei und hielt ihre ID-Karte vor ein Lesegerät am Eingang. »Ein suspendierter Polizist ohne Waffe ist nur ein Hai ohne Zähne.« Es surrte, und sie drückte sich gegen die Tür.
»Nicht suspendiert, nur beurlaubt.«
Warum wirkte sie plötzlich so viel jugendlicher als noch vor ein paar Tagen? Es hatte nichts
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