Papa
mit der
Doktorsache
zu tun. Vielleicht lag es daran, dass er sie das erste Mal ohne Skalpell sah? Und ohne Faulgase um sie herum. Vielleicht, weil sie gerade niemandem die Gedärme aus dem Körper zog? Die Leichen vor Augen, erschien ihm plötzlich ein Abendessen in der Pathologie nicht mehr so verlockend. Er folgte ihr dennoch wie ein treuer Hund.
Niemand lag auf dem Seziertisch. Nirgends war Blut zu sehen – oder Schlimmeres. Beruhigend. Der Raum wirkte aufgeräumt und steril. In den Edelstahlschränken schimmerte matt die Raumbeleuchtung. Robert atmete auf. Nichts deutete auf die ekligen Dinge hin, die üblicherweise hier stattfanden. Sie gingen in Emilys Büro, wo sie die Tüte auf ihrem Schreibtisch auspackte. »Ich wusste nicht, was Sie mögen. Ich habe einfach von allem ein bisschen geholt. Ente, scharfes Rindfleisch, Krabben, eine Riesenportion Reis und Erdnusssauce. Mögen Sie Erdnusssauce?«
»Nicht besonders, aber der Rest klingt gut. Ist Erdnusssauce nicht thailändisch?«
Gäter zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist chinesisch überhaupt chinesisch? Hauptsache, es schmeckt.« Sie reichte ihm eine Pappbox und zwei Stäbchen. »Ich hoffe, Sie können damit umgehen. Ansonsten müsste ich nachschauen, ob ich hier irgendwo Besteck finde.«
Robert winkte ab. »Was auch immer Sie hier finden, ich glaube nicht, dass ich damit essen möchte.«
Sie grinste und setzte sich. In einer Ecke stand eine uralte Couch mit durchgesessenem Stoff. Darauf machte er es sich bequem und stocherte in seinem Essen herum. Er dachte an Maik und daran, dass er keine Möglichkeit sah, wie er ihm hätte helfen können.
»Sie wollten etwas mit mir besprechen?«
Er nickte und schluckte ein Stück Rindfleisch hinunter. »Die Polizei tappt noch völlig im Dunkeln. Sie suchen Lilly und Ried mit allem, was sie haben, aber wie soll man jemanden finden, der abgetaucht ist und nicht gefunden werden will?« Er stellte die Pappschachtel zur Seite und beugte sich nach vorn. »Wenn sich kein Zeuge meldet oder er nicht zufällig in einen Polizisten rennt, werden wir ihn nicht finden. Und inzwischen glaube ich auch nicht mehr, dass er derjenige ist, der gefunden werden muss.«
Gäter saugte eine Nudel auf und leckte sich die Sauce von den Lippen. »Sondern?«
»Sie erinnern sich an die Speicherkarte?«
»Da bin ich mir nicht sicher.« Sie starrte Löcher in die Luft. »Die Karte war plötzlich verschwunden, und da Sie als Polizist sicher keine Beweise stehlen, denke ich, dass ich sie mir wohl nur eingebildet habe.«
Robert ging über die Bemerkung hinweg. Um zu Kreuze zu kriechen, war später noch Zeit. »Auf dieser Karte ist ein Video, in dem man Michelle sieht, wie sie Ya-Long P’an auf die Straße wirft.«
Gäter drehte sich zu ihrem PC und schaltete den Monitor ein. Ein Computerprogramm lief, aber Robert konnte keine Details erkennen. »Was Ya-Long P’an angeht«, sagte sie und schob sich eine Ladung Nudeln in den Mund, was ihre Aussprache verschlechterte, »muss ich Sie enttäuschen. Sie war es nicht, die ich aufgeschnitten habe.« Sie deutete auf eine Schwarzweißgrafik mit zwei Spalten, in der jeweils mehrere Balken untereinander angeordnet waren. Unterschiedlich dick und unterschiedlich intensiv.
»Vorhin erst kam die Restriktionsanalyse, und man kann eindeutig sehen, dass die DNA-Fragmente nicht übereinstimmen.«
Robert schaute genauer hin. Die Balken auf der einen Seite waren nicht auf der gleichen Höhe wie die auf der anderen. »Und das heißt?«
»Die DNA der Leiche wurde mit der DNA von Ya-Long P’an verglichen, die wir seit Rieds Gerichtsverfahren von ihr im System haben, und sie stimmt nicht überein. Die Tote ist nicht Rieds entkommenes Opfer.«
Robert lehnte sich zurück. Er war völlig verwirrt. Wer war sie dann?
»Sie sagten, dass Ried nicht derjenige wäre, den die Polizei suchen müsste?«
Robert schüttelte den Gedanken an die falsche Chinesin ab. »Ich bin zu Michelle gefahren, weil ich dachte, sie wäre in Gefahr. Ich hatte vor, sie aus der Schussbahn zu nehmen. Stattdessen hat sie mich überwältigt und ist abgehauen. Keine Ahnung, wohin. Ich habe Zellinger bisher nichts davon gesagt, weil ich niemanden auf eine falsche Spur ansetzen wollte. Inzwischen glaube ich, dass sie uns nur etwas vorgemacht hat.«
»Sie sprechen hier von Lillys Mutter, richtig? Also ich bin keine Polizistin, aber das hört sich in meinen Ohren doch ziemlich weit hergeholt an.«
»Ja, ich weiß. Aber es spricht so viel
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