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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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ich. »Überall kleine Pinsel …«
    Er nickte und stellte es sich vor.
    »Sie braucht ziemlich lange für ihr Gesicht«, sagte ich.
    »Na ja«, sagte er dann, »wenn es World War gefällt.«
    »Er schien glücklich zu sein«, sagte ich, »aber er verbringt derart viel Zeit damit, sich einzureden, dass er glücklich ist, dass man sich nie sicher sein kann.«
    Unser Leben lang war mein Vater jedes Mal glücklich gewesen, wenn die Bibliothek oder die Stadt für den Straßenausbau vom Staat Geld bekam, wenn ein Sechstklässler es bis in die Endrunde des landesweiten Buchstabierwettbewerbs schaffte, Weldon Pine zum Anwalt des Jahres ernannt oder ein Scheunenbrand von der freiwilligen Feuerwehr gelöscht wurde. Man erwartete von ihm, dass er glücklich war. Und wenn der Staat kein Geld für die Straßen zahlte oder die Feuerwehr nicht rechtzeitig bei der Scheune war, dann war er beleidigt.
    Natürlich ist es schwierig, auf diese Weise am Puls der Zeit zu bleiben, da man sich unweigerlich zugleich freuen und ärgern muss. Für den Redakteur und Herausgeber der
Moat County Tribune
aber war dies so selbstverständlich geworden wie die Tatsache, dass er zur Arbeit einen Anzug trug. Vielleicht war es sogar Teil seines Anzugs.
    Im Grunde aber machte ihm nicht das Thema der Nachrichten Freude, sondern der Prozess ihrer Verbreitung. Dieser Prozess erzeugte Verwirrung und Unsicherheit, und sich dort hindurch einen Weg zu bahnen, das gefiel ihm.
    Ich fragte mich, ob dies wohl auch auf seinen Flirt mit Miss Guthrie zutraf, doch war dies keine Frage, die er sich stellen würde, nicht einmal im Nachhinein, etwa wenn sie ihn verlassen hatte und er einsam zurückblieb. Aus Angst vor dem, was er heraufbeschwören mochte, stellte er sich niemals nachträglich in Zweifel.
    AM TAG DARAUF fragte Ward beim Mittagessen, ob die Anzeigenkunden der
Tribune
wieder schalten würden, und dann wollte er wissen, wie es um World Wars Herz stand.
    Dort, wo in seiner Lippe der Nerv durchtrennt worden war, tropfte ihm manchmal Milch oder Suppe aus dem Mund und lief ihm übers Kinn, ehe er es merkte und abwischen konnte.
    Man hatte uns strenge Tischmanieren beigebracht, doch wenn Essensstücke von seiner toten Lippe fielen, schien es ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.
    AN EINEM ANDEREN TAG fragte er plötzlich, was aus dem Anwalt Weldon Pine geworden war, ob er nach seinem Rücktritt in Lately geblieben oder in eine andere Stadt gezogen sei. Ich spürte, wie leid es ihm tat, dass die Story dem alten Mann so viel Ärger bereitet hatte.
    Später beschäftigte ihn Onkel Tyree.
    »Und was ist, wenn der alte Mann und seine Familie, auch die Stumme, schlauer waren als wir?« fragte er.
    »Und was, wenn?«
    Er hob einen Finger, da ich warten sollte, bis er seinen Gedanken zu Ende formuliert hatte. »Was ist, wenn sie uns besser kennen als wir sie? Was, wenn sie vorausgesehen haben, was wir tun würden?«
    Ich wartete, bis ich sicher wusste, dass er fertig war. »Ist trotzdem egal«, sagte ich.
    Er sah mich an und lächelte, als hätte ich den entscheidenden Punkt nicht verstanden. »Eine Weile sind die Dinge aus dem Ruder gelaufen«, sagte ich. »Du wurdest verletzt, Yardley schrieb seinen Artikel, und jetzt ist es vorbei. Hillary ist wieder im Sumpf.«
    Er griff nach dem Hamburger, den er sich bestellt hatte, und nahm einen Bissen. Fett tropfte ihm von der Lippe. »Und wenn sie uns benutzt haben?« fragte er.
    Das Fett rann über sein Kinn dorthin, wo er noch etwas fühlen konnte, und er wischte es mit der Serviette weg.
    »Und was, wenn wir sie benutzt haben?« fragte ich. »So sind nun mal die Spielregeln, oder? Du benutzt sie, sie benutzen dich …«
    »So ist es nicht immer«, sagte er. »So muss es nicht sein.« Er dachte einen Augenblick nach. Vielleicht versuchte er, sich an einen Fall zu erinnern, wo es anders gewesen war.
    »Es ist wie beim Angeln«, sagte ich. »Du bist dem einfach nicht gewachsen, wenn du dir Sorgen um den Wurm machst.«
    Er beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. »Du hast es noch nicht erlebt, Jack, wie es ist, wenn du es absolut korrekt hinkriegst«, sagte er. »Wenn du die Dinge auf das runterbrichst, was tatsächlich passiert.«
    »Und was dann?« fragte ich.
    Er lächelte, Fett schimmerte auf seinem Kinn. »Das macht es erträglich«, sagte er. Und einen Moment lang schien mir, als würde seine Stimme aus dem Aufwachraum zu mir dringen.
    »Nur weiß man nie genau, wie die Menschen sind«, sagte ich, und diese Worte

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