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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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mich erregte. Ich ging an ihr vorbei ins Bad und schloss die Tür.
    Die Luft im Bad war noch schwer vom Geruch ihres Duschgels, und es roch nach Make-up und Cremes, die sie aufgetragen hatte, um sich für den Fisch am Haken fein zu machen.
    Ich rasierte mich, putzte mir die Zähne und dachte an den Blick, den sie mir auf dem Flur zugeworfen hatte. Später, als sie mit meinem Vater unten am St. Johns River war, warf ich meine besten Klamotten in den Kombi, schrieb eine kurze Notiz, mit der ich meine Arbeit als Lastwagenfahrer kündigte, und floh aus Moat County.
    Es war das erste Mal, dass ich mein Zuhause verließ, sieht man einmal von Gainesville ab. Ich fuhr schon seit einer Stunde in Richtung Süden, als mir aufging, dass ich unterwegs nach Miami war.
    Wahrscheinlich stimmte es, dass ich immer auf dem Weg nach Hause war, selbst wenn ich fortlief.
    MEIN BRUDER WOHNTE in einer kleinen Pension mit Blick auf die Biscayne Bay, nicht weit von der Zeitung, für die er arbeitete. Ich fand das Haus, blieb in meinem Wagen eine halbe Stunde lang davor sitzen und malte mir aus, wie es wäre, hinüber nach Miami Beach zu schwimmen. Es war keine große Sache, eine Stunde im Wasser, könnte auch weniger sein, aber es gab viel Verkehr, manche Rennboote donnerten mit dreißig, vierzig Meilen die Stunde vorüber. Ich suchte mir eine Stelle am Strand, an der ich ins Wasser gehen würde, stellte mir dann meinen Weg durch den Kanal vor, kalkulierte Strömung und Flut, dachte an die Wochen, in denen ich nicht mehr trainiert hatte, und wurde auf meiner Strecke nach knapp hundertfünfzig Metern von einem uralten Chris-Craft-Boot zerteilt, das von zwei bärtigen Typen gefahren wurde, von denen einer ein weißes Seemannskäppi trug.
    Ich schaute wieder hinüber zum Apartment und sah mich mit aufgeschlitztem Bauch die Treppe hinaufkriechen. Noch ehe ich mir Wards Gesicht vorstellte, wenn er die Tür öffnete, ließ ich den Motor an.
    Der Wagen heulte auf, verfiel dann in ein leises Grollen, und ich fuhr die Straßen rund um die Pension meines Bruders auf und ab und hielt nach Wohnungen Ausschau, in deren Fenstern Schilder anzeigten, dass sie zu vermieten waren, hielt schließlich an, nicht, weil das Haus dazu besonderen Anlass bot, sondern weil ich vor der Tür einen Parkplatz fand, und mietete ein möbliertes Zimmer für einen ganzen Monat.
    »Und Sie sind allein?« fragte die Frau. »Ganz sicher?«
    »Ich bin allein.«
    »Manchmal ziehen hier Leute hin, allein, und ehe man sich umsieht, hocken zwölf von denen da drinnen und schlafen auf dem Boden.«
    »Ich kenne keine zwölf Leute«, sagte ich.
    Sie nickte, dachte darüber nach. »Wollen Sie mit Wäscheservice?«
    Ich gab erst keine Antwort, da ich ihre Frage für eine Art Test hielt, mit der sie prüfen wollte, ob bei mir zwölf Leute schlafen würden.
    »Haben Sie Ihre eigene Bettwäsche mitgebracht?« fragte sie schließlich etwas ungeduldig.
    »Nein«, sagte ich.
    »Dann setze ich Sie mit auf die Liste für saubere Laken«, sagte sie und verkündete im selben Atemzug die Hausregel: »Scheren Sie sich nicht um die anderen, dann scheren die sich auch nicht um Sie.«
    ICH BRACHTE MEINE SACHEN aus dem Auto ins Zimmer und musste zweimal laufen, vorbei an einem untersetzten Mann mit Froschaugen, der vor seiner Tür stand, einen winzigen Zigarettenstummel rauchte und mich anstarrte, als wolle er mich zum Essen ausführen. Ich begriff auf Anhieb, dass Miami anders war als die beiden anderen Orte, an denen ich bisher gelebt hatte.
    Ich zog die Zimmertür zu, schloss ab, steckte den Haken in den Ringbolzen und setzte mich auf die nackte Matratze. Ich spürte, wie die Federn unter mir nachgaben. Der Teppich hatte dunkle Flecken, die fast schon eine geschlossene Kruste bildeten. Ich dachte an die Pension, in der mein Bruder wohnte. Von der Straße aus hatte sie dieser hier ziemlich ähnlich gesehen. Ob drüben dieselbe Regel galt?
Scheren Sie sich nicht um die anderen, dann scheren die sich nicht um Sie.
Vielleicht mochte er deshalb diese Gegend oder auch die Stadt.
    Es klopfte an der Tür, dann hörte ich eine Männerstimme: »Bist du zu Haus, mein kleiner Freund?«
    Ich lag zitternd auf meiner Matratze.
    »He, kleiner Freund?«
    Der Mann kam im Verlauf der nächsten Tage noch ein halbes Dutzend Mal, aber ich habe ihm nie die Tür geöffnet.
    ICH VERLIESS MEIN ZIMMER , um zu schwimmen und zu essen, und abends machte ich einen Spaziergang durch die Nachbarschaft und hielt nach Frauen

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