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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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der Nachrichtenredaktion verachtet, eine Handvoll junger Journalisten ausgenommen – von denen manche einen Collegeabschluss in
Journalismus
hatten –, die in ihren Artikeln seinen Stil imitierten. Doch da ihnen mein Bruder fehlte, der ihre Storys mit Fakten angereichert hätte, betrieben sie Hirnwichserei, schrieben Zeugs, für das selbst ich, ein rausgeworfenes Mitglied des Schwimmteams der University of Florida, mich geschämt hätte.
    Ihre Artikel waren von derselben Machart, wie Yardley sie produziert hatte, ehe er von den Redakteuren der
Miami Times
mit meinem Bruder zusammengesteckt worden war.
    Yardley ignorierte seine Kritiker und ermunterte seine Nachahmer, lobte sie selbst dann noch überschwänglich für eine durchaus gewöhnliche und zumeist peinliche Prosa, wenn ihnen die Redakteure der alten Schule diese Prosa mit der Bitte wieder vorlegten, die Löcher doch bitte mit Fakten zu stopfen und nicht mit Stilblüten.
    Mein Bruder machte sich weder etwas aus dem Artikel im
Time Magazin
noch daraus, dass er am Schwarzen Brett der Nachrichtenredaktion auftauchte. Selbst jener Absatz schien ihn nicht zu berühren, in dem er von Yardley Acheman als »Reporter der traditionellen, bodenständigen Art« beschrieben wurde, ganz im Gegensatz zu Yardley, der nach eigenen Worten zu denen gehörte, die »Sinn und Form einer Story nicht in herkömmlicher Weise« sahen.
    WIR WAREN STÄNDIG ZUSAMMEN , Ward und ich. Wir aßen zusammen, wir kamen zusammen zur Arbeit, wir gingen zusammen nach Hause. Manchmal fragte ich mich, wer von uns wen beschützte, aber wenn ich abends, nachdem ich ihn abgesetzt hatte, ins Haus ging und der fette Typ mit den Froschaugen aus seinem Zimmer kam, um mir über den Flur nachzusehen, wurde ich immer wieder daran erinnert, was in Daytona Beach geschehen war. Dann fühlte ich mich irgendwie besser, weil ich wusste, dass ich Ward wohlbehalten bis an die Tür gebracht hatte.
    Manchmal lächelte der fette Mann, wenn ich vorüberging, manchmal schnalzte er mit der Zunge. Mir war klar, dass er die Hausordnung durch diese Art von Belästigungen brach. Und an manchen Abenden, wenn ich Ärger in der Arbeit gehabt hatte, spürte ich, wie ich mich darüber aufregte, spürte eine fast unbezähmbare Wut in mir aufsteigen.
    Seltsamerweise fühlte ich mich komplett bei mir selbst, wenn ich so wütend war.
    Natürlich hatte ich mich schon gefragt, wer dieser Mann war, als eines Morgens auf meinem Weg zum Wagen ein anderer Hausbewohner neben mir auftauchte und mich darum bat, ihn nach Palm Beach County mitzunehmen, wo er vielleicht einige Tage als Obstpflücker Arbeit finden konnte. Er erzählte mir, dass Froggy Bill, so wurde der Mann genannt, Polizist gewesen sei und jetzt von seiner Rente lebte.
    »Du musst schon ein ziemlich mieser Bulle sein, wenn sie dich rauswerfen«, sagte er. »Bestimmt hat er was angestellt, was die öffentliche Aufmerksamkeit erregte.«
    Ich sagte dem Mann, dass mich das nichts anginge, gab ihm einen Dollar für den Bus, ließ ihn auf dem Bürgersteig stehen und fuhr zur Arbeit.
    ICH ERZÄHLTE WARD nichts von Froggy Bill. Eigentlich erzählte ich ihm nie etwas über das Haus, in dem ich wohnte. Wahrscheinlich nahm er an, dass es bei mir so war wie bei ihm – ein Apartment mit Schlafzimmer, Küche und Bad.
    Doch meine Toilette befand sich am Ende des Flurs. Ich ging frühmorgens hin, ehe die Sonne aufging, um nicht mit Froggy Bill auf seinem täglichen Routinegang zusammenzutreffen.
    EINES NACHTS HÖRTE ICH einen Mann schreien. Ich war im Flur, und der Schrei kam aus Froggy Bills Apartment, hielt ein oder zwei Sekunden an und verklang, als wäre dem Schreienden die Luft ausgegangen.
    Ich blieb regungslos stehen, drauf und dran, zur Tür zu rennen, falls Froggy Bill mit einer Leiche auftauchte, aber es war kein Laut mehr zu hören. In der ganzen Pension war es still. Ich überlegte dann, ob nicht Bill selbst geschrien hatte, weiß aber darauf keine Antwort, selbst heute nicht.
    WARD WOLLTE NACH MOAT COUNTY zurückfahren, und zwar trotz der Bedenken des Sonntagsredakteurs – jenes Mannes mit Bart, der nach Moat County gekommen war, um die Story voranzubringen, als Ward im Krankenhaus gelegen hatte – und auch der von Yardley Acheman, der die Geschichte endlich hinter sich lassen wollte.
    Yardley meinte, es sei an der Zeit, etwas Neues anzugehen, solange er und Ward noch »heiß« waren, das richtige »Timing« sei nämlich entscheidend. Er sagte nicht, wovon der nächste Artikel

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