Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
Yardleys Drängen stand sein Name neben dem Namen meines Bruders über dem Zeitungsartikel, der dazu führte, dass gegen vier Amtsleiter Anklage erhoben wurde, was ihr Leben ruinierte. Aus einer Art Festtagslaune heraus gaben die Chefredakteure Ward daraufhin zwei Wochen frei. Yardley nahm sich ebenfalls zwei Wochen frei und fuhr nach New York zurück, um die Arbeit an seinem Buch wieder aufzunehmen. Ich hörte später, dass er noch einmal zu seinem Verleger gegangen war und um einen weiteren Vorschuss gebeten und ihn auch erhalten hatte.
    MEIN BRUDER KEHRTE nach Moat County zurück. Er wollte nach Hause, sagte er, um ein paar Tage auszuruhen.
    Was er mit »nach Hause« gemeint hat, weiß ich nicht. Er hatte jedenfalls nicht vor, sich bei meinem Vater und dessen Freundin einzuquartieren. Er hatte erlebt, wie willkommen er dort war, seit sie im Haus wohnte.
    Noch am Tag von Wards Abreise rief ich meinen Vater an. Seit er uns vor einigen Monaten gesagt hatte, wir sollten bei ihm anklopfen, hatte ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Er klang müde, als er den Hörer abnahm, und ich fragte mich, ob Ellen Guthrie ihn nachts wach hielt.
    »Jack«, sagte er, »schön, deine Stimme zu hören.« Und seine eigene Stimme wurde etwas kräftiger. Er fragte, ob ich schwimmen gewesen sei, wie viel ich wog, welche Jobs ich bei der Zeitung erledigen müsse. Er schien Angst davor zu haben, dass ihm der Gesprächsstoff ausging, Angst davor, dass unsere Unterhaltung ein Ende fand.
    Ich merkte, dass ich ihm vergab.
    »Am besten bin ich dann«, sagte ich, »wenn jemand zu mir sagt: ›Jack, hol mir den Klebstoff!‹ Dann hol ich den Klebstoff.«
    Ich war damals stolz darauf, der einzige Laufbursche in der Nachrichtenredaktion zu sein, der nicht den Ehrgeiz besaß, Reporter zu werden.
    Er sagte, dass er Wards Artikel über die Amtsleiter in Dade County gelesen habe und ihn eigentlich anrufen wollte, um ihm zu der guten journalistischen Arbeit zu gratulieren. »Journalismus der wichtigsten, bestmöglichen Art«, sagte er, »eine Wohltat für die Leidenden und ein Leid für die Wohlhabenden, außerdem alles im regionalen Rahmen.«
    Er hielt einen Moment inne, wusste nicht mehr, was er noch sagen sollte.
    »Er ist doch nicht bei dir, oder?«
    »Man hat ihm zwei Wochen freigegeben«, sagte ich.
    »Na ja«, sagte er, »wenn du ihn siehst, bestell ihm, dass er mich anrufen soll.«
    »Er ist unterwegs in deine Richtung«, sagte ich.
    Und es tat sich eine kleine leere Stelle in unserem Gespräch auf. »Er fährt nach Thorn?« fragte er.
    »Ich glaube schon.«
    »Um uns zu besuchen?« Jetzt ganz besorgt. »Er will doch nicht noch einen Artikel schreiben, oder?«
    »Ich weiß nicht, was er vorhat.«
    »Ich dachte, er sei fertig mit uns«, sagte er und meinte seine Bemerkung als kleinen Scherz. Die Leitung schien tot, während mein Vater über den bevorstehenden Besuch meines Bruders und die möglichen Konsequenzen nachdachte.
    »Sollte Ellen ihn erwarten?« fragte er.
    »Ich glaube nicht«, antwortete ich.
    Ich hörte die Erleichterung in seiner Stimme.
    »Na ja, wir hätten ihn gern bei uns gehabt«, sagte er. »Aber er könnte ja wenigstens zum Essen vorbeikommen.«
    Ich dachte an die Mahlzeiten daheim, an den Dampf, der von gekochtem Essen aufstieg. Ich hatte Heimweh. »Wie kommt Anita mit deiner Zimmergenossin zurecht?« fragte ich.
    Er zögerte mit der Antwort.
    »Nun, wir mussten sie gehen lassen.«
    Ich sagte nichts dazu. Sie war so lange im Haus meines Vaters gewesen wie die Risse in der Decke.
    »Du weißt ja, wie es ist«, sagte er, »zwei Frauen in einer Küche …«
    »Ich wusste nicht, dass sich Ellen in der Küche aufhält.«
    »Nur eine Redensart.«
    »Anita war lange bei uns«, sagte ich. Mir schien, er hätte uns Bescheid geben können, ehe er sich von ihr trennte.
    »Finanziell habe ich für sie gesorgt«, sagte er. »Mach dir deshalb keine Sorgen.« Als ich darauf nichts sagte, fuhr er fort: »Sie hat für uns gearbeitet, Jack, sie war kein Mitglied der Familie.«
    »Sie war Teil unseres Lebens«, sagte ich.
    Und wieder schwieg er eine Weile.
    »Das Leben ändert sich«, sagte er schließlich. »Das weißt du doch.«
    VIER TAGE BEVOR WARD aus Miami zurückkehren sollte, kam der Sonntagsredakteur zu mir in die Nachrichtenredaktion und war auf der Suche nach meinem Bruder. Er wirkte aufgeregt und zugleich verzweifelt.
    »Wir müssen mit ihm sprechen«, sagte er.
    Ich erwiderte, er sei in Moat County. Ich sortierte gerade die Post für

Weitere Kostenlose Bücher