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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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beruflichen Dingen um Rat, da sie selbst gern Storys wie die meines Bruders geschrieben hätte, und in seiner Gegenwart war sie von Wards Ruhm offensichtlich wie geblendet. Sie musste einfach immer seine Sätze für ihn zu Ende führen oder beinahe zwanghaft nicken, ehe er auch nur ein Wort gesagt hatte. Yardley Acheman wollte nichts mit ihr zu tun haben.
    An diesem Abend allerdings neigte Yardley zu etwas Menschlichkeit. Als sie zu ihm kam, legte er wie geistesabwesend einen Arm um ihre Schulter, und sie beugte sich zu ihm und lächelte ihn an, als wären sie alte Freunde.
    Helen Drews Haut war blass und teigig, und sie konnte trotz ihrer Brille nicht besonders gut sehen. Sie war nicht korpulent, sondern richtig dick – an Hüften, Schultern und Beinen, aber auch an den Handgelenken und den Fingern. Ihre Hände sahen aus wie die Patschhände eines Riesenbabys.
    Zur Arbeit trug sie weite Kleider, die ihren Körper bis hinunter zu den Schuhen umhüllten. Spät am Abend zog sie die Schuhe aus – nebeneinander warteten sie vor einem Liegestuhl und wirkten irgendwie zerdrückt, in einem der Schuhe lag die Brille, während Helen Drew mit einem Glas in der Hand einen Fuß ins Wasser steckte. Und wie sie so am Beckenrand stand, mit einem Fuß im Wasser, senkte Yardley, der mit einer schlankeren Frau hinter ihr stand, plötzlich seinen Kopf, rammte ihn ihr in den Rücken und stieß sie in den Pool.
    Sie geriet in Panik, als Nichtschwimmerin und ohne ihre Brille, fand aber schließlich die Leiter, beruhigte sich wieder und blieb dann lange im Wasser, während ihr die Wimperntusche über die Wangen lief. Und sie lachte und schwatzte mit den Reportern am Beckenrand und zögerte den Augenblick möglichst lange hinaus, in dem sie aus dem Wasser auftauchen musste und der nasse Stoff an ihren Fleischröllchen kleben würde, die er eigentlich verbergen sollte.
    Yardley sagte immer wieder, dass es ihm leidtäte, aber er konnte sich nicht entschuldigen, ohne an das Schauspiel zu denken, das sie bei ihrem Sturz ins Wasser geboten hatte, und seine Worte verloren sich, und er begann zu lachen. Und sie stimmte in sein Lachen ein.
    Schließlich stieg Helen Drew aus dem Becken. Wasser strömte an ihr herab wie von einem lang versunkenen Schatz, und sie wickelte sich in ein Handtuch. Sie trank und lachte noch eine weitere halbe Stunde, dann ging sie. Am nächsten und auch am übernächsten Tag erschien sie nicht zur Arbeit.
    Sie kündigte am Ende der Woche, ohne ihre Sachen abzuholen, und nahm eine Stelle bei der
Miami Sun
an, einer kleinen Zeitung, die Büroräume im Times Building gemietet hatte und die ihr die Chance gab, eigene Storys zu schreiben.
    ABGEMAGERT UND SONNENVERBRANNT kehrte mein Bruder aus dem Urlaub zurück, Gesicht und Arme von Insektenbissen übersät und den Gürtel auf dem letzten Loch. Die Hose warf an der Hüfte weite Falten.
    Er sah aus, als hätte er seit seiner Abreise nichts mehr gegessen.
    Ich fragte ihn nicht, wo er gewohnt oder was er getrieben hatte, und er selbst verlor kein Wort darüber.
    Wir gingen zusammen essen, aber er stocherte nur in seinem Essen herum. Er wirkte abwesend, zeigte überhaupt kein Interesse an dem Preis, den er gewonnen hatte, und nahm nur beiläufig zur Kenntnis, dass Ellen Guthrie World War überredet hatte, Anita Chester vor die Tür zu setzen.
    »Sie will offenbar alles ganz für sich allein«, sagte er und klang wie ein Außenseiter, ein unbeteiligter Zuschauer, der miterlebte, wie eine Familie zerbrach.
    Yardley Acheman unternahm einen Kurztrip nach New York und machte mithilfe des Pulitzerpreises einige weitere Tausend Dollar bei seinem Verleger locker, flog dann wieder nach Miami und bat darum, von der Arbeit freigestellt zu werden, um das Buch beenden zu können. Er verlangte, dass ihm für die Dauer seiner Abwesenheit das Gehalt weitergezahlt wurde, da die Zeitung weiterhin sein Bild in ganzseitigen Anzeigen verwendete und die Lobeshymnen für das Buch unweigerlich auch der
Times
zugutekommen würden. Er fügte hinzu, dass dies auch seine Rückkehr garantieren würde, wenn die Arbeit am Manuskript erst einmal beendet war.
    Man bewilligte ihm die Freistellung, aber keine Gehaltsfortzahlung. Er hatte seine Forderungen in der Lokalredaktion gestellt, ehe er mit den verantwortlichen Redakteuren gesprochen hatte, und die fürchteten nun, einen Präzedenzfall zu schaffen.
    Noch in derselben Woche kehrte er nach New York zurück und sagte, er könne nicht versprechen

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