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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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schrieb einen Brief …«
    »Ich kenne ihre Briefe«, sagte er. Einen Augenblick war es still. »Ich weiß alles über die Kleine.«
    Wieder schwiegen wir, und ich starrte das Haus an und fühlte mich beleidigt, weil sie nicht einmal herausgekommen war. »Kommen Sie nie wieder her«, sagte Hillary eher zu meinem Bruder als zu mir.
    Ward schien nicht die Absicht zu haben, sich zu verabschieden.
    »Kommen Sie nicht zurück.« Hillary erhob sich langsam und ging wieder hinein.
    Widerwillig stand Ward auf, ging zwischen den Stümpfen hindurch zurück in den dunklen Wald und stolperte dabei über Wurzeln, die sich den Boden entlangschlängelten. Jedes Mal, wenn er stolperte, fing er sich wieder und ging weiter, als hätte er die Wurzel längst wieder vergessen.
    Wie immer verloren in hehren Gedanken.
    WIR GINGEN AM FLUSS ENTLANG zurück zum Hotel, und ich stellte mich unter die kalte Dusche. Draußen war es heiß, aber im Kühlschrank gab es einen Sechserpack Bier und ein paar Sandwiches mit Hähnchenfleisch, die ich dort gekauft hatte, woher auch das Bier stammte.
    Ich kam aus dem Bad, machte zwei Biere auf, gab Ward eine Flasche und legte mich, noch nass vom Duschen, aufs Bett. Ein Lufthauch wehte vom Fenster herüber wie eine Erinnerung an eine kühle Brise.
    Ward schaute über den Fluss. Die Sonne versank, die Bäume im Innenhof umrahmten die Boote und die langen Schatten, die sie über das Wasser warfen. Aber ich glaube nicht, dass Ward irgendwas davon mitbekam. Ich glaube auch nicht, dass er das Bier in seiner Hand wahrnahm. Ich trank einen Schluck, das Bier schmeckte kalt, bitter und gut. Ich fühlte mich schon besser, wie meist, wenn ich das erste kühle Bier noch in der Hand hielt. Ich wusste, später, nach zu vielen Bieren, würde meine Stimmung umschlagen.
    Ward trat vom Fenster zurück, nahm sich ein halbes Sandwich und setzte sich an den Tisch in der Ecke. »Yardley ist immer aufrichtig gewesen.«
    Ich trank noch einen Schluck. »Scheiße«, sagte ich.
    »Ich meine doch nicht sein Privatleben«, sagte er, »ich meine, er ist immer ein ehrlicher Journalist gewesen.«
    »Sind das zwei verschiedene Paar Schuhe?« fragte ich. »Ein Typ benimmt sich wie Yardley Acheman, wenn er dienstfrei hat, und wird schlagartig ehrlich, sobald er hinter einer Schreibmaschine hockt?«
    »Die besten Journalisten sind nicht immer die besten Menschen«, sagte er. »Die besten lassen ihr wahres Ich außen vor.«
    »Ich glaube, wenn man Yardley Acheman ist, dann ist es ziemlich egal, was man für ein Journalist ist. Man ist immer noch Yardley Acheman.«
    Ward setzte das Bier an die Lippen, warf den Kopf in den Nacken und trank die Flasche aus. An der Narbe lief ihm etwas Bier über das Kinn.
    Eine Weile schwiegen wir.
    »Der Nachmittag im Büro, als du mit ihm gekämpft hast«, sagte er, »worum ging es da eigentlich?«
    Ich nahm mir noch eine Flasche. In dem Moment dachte ich – und daran hatte ich schon immer geglaubt –, dass es Menschen gibt, in denen du instinktiv einen Gegner erkennst. Und meistens, wie im Fall Yardley Achemans, wissen sie das auch. Selbst wenn nie etwas getan oder gesagt wird, spürst du, sobald du einen Raum betrittst, in dem sich der andere aufhält, diese Feindseligkeit.
    »Ich glaube, wir sind geborene Gegner«, sagte ich.
    AM MORGEN RIEF ICH , ehe wir nach Miami fuhren, im Büro meines Vaters an. Ich musste das Telefon vor der Eingangshalle des Hotels benutzen, da es auf den Zimmern keinen Apparat gab. Es war ein warmer Morgen, die Vögel lärmten in den Bäumen, und der Fluss war übersät mit Anglern in reglosen Booten.
    Ich legte auf, als er abnahm.
    ALS WIR NACH SÜDFLORIDA ZURÜCKKEHRTEN , war Yardley Acheman ein Schriftsteller.
    Ein Verleger in New York hatte ihm dreißigtausend Dollar angeboten, wenn er aus dem Artikel über Moat County ein Buch machte, ein Betrag, der etwa einem zweijährigen Gehalt entsprach. Ich weiß nicht, ob das Angebot ursprünglich auch meinen Bruder mit einschloss, doch als wir davon hörten, war nur von Yardley Acheman die Rede.
    Er erzählte Ward von dem Buch, ohne die Höhe des Vorschusses zu erwähnen, obwohl ich von einem der Laufburschen wusste, dass er schon seit Tagen mit der Summe angab, dass er in der Nachrichtenredaktion von einem Tisch zum anderen ging, um mit Leuten zu reden, mit denen er seit Monaten kein Wort mehr gewechselt hatte.
    Ward erzählte er, ihn beschäftige schon seit einiger Zeit der Gedanke, dass Zeitungen ein zu begrenztes Feld für das

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