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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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die Redakteure, eine Arbeit, die ich mochte, weil ich dabei allein war.
    »Wo?« fragte er.
    Ich hatte seit seiner Abreise nichts von ihm gehört.
    »Wir müssen ihn zurückholen«, sagte er.
    »Er kommt am Freitag wieder.«
    Der Sonntagsredakteur schüttelte nervös den Kopf. »Freitag hilft uns überhaupt nicht weiter«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, wo er abgestiegen ist«, sagte ich.
    »Weiß Ihr Vater mehr?«
    »Das bezweifle ich.«
    Er steckte die Hände in die Taschen und schüttelte den Kopf. »Himmel, was haben Sie denn für eine Familie, Sie fahren nach Hause und besuchen sich nicht mal?«
    Ich drehte mich zu den Postfächern um und sortierte wieder Briefe. »Könnten Sie ihn finden?« fragte er.
    »Ich könnte einige Anrufe machen …«
    »Wir müssen ihn morgen hier im Büro haben«, sagte er.
    »Warum?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, holen Sie ihn einfach her.«
    Ich reichte dem Sonntagsredakteur die Briefe, er schaute sie einen Augenblick an, begriff dann, was er in der Hand hielt, und warf die Schreiben in den Mülleimer. Ich ging in Wards Büro, schloss die Tür und rief ein Dutzend Motels in Lately an, doch er war nirgendwo eingetragen. Dann rief ich im Büro meines Vaters an, aber der war gerade mit Miss Guthrie beim Lunch.
    Der Sonntagsredakteur ging in regelmäßigen Abständen am Büro vorbei, schaute hinein und wartete auf ein Signal, dass ich Ward gefunden hätte. Ich schüttelte immer wieder den Kopf.
    Als ich dann meinen Vater erreichte, sagte er, er vermute, dass Ward seine Meinung geändert habe und in Miami geblieben sei. »Wäre er hier in der Gegend, hätte er doch angerufen«, sagte er und klang verletzt.
    »Vielleicht ist er woandershin gefahren«, sagte ich. Er hatte den Führerschein zurückerhalten und sich einen eigenen Wagen gekauft. Ich war ratlos.
    »Was ist los?«
    »Ich weiß nicht, sie brauchen ihn nur hier im Büro«, sagte ich. »Es ist wichtig, aber den Grund wollen sie mir nicht sagen.«
    Er schwieg einen Augenblick. »Haben sie gesagt, wann er da sein soll?«
    »Morgen«, sagte ich. »Sie wollen ihn allerspätestens morgen sehen.«
    Er dachte kurz nach und sagte dann leise: »Oh, mein Gott.«
    »Was ist?«
    Er sagte: »Er hat den Pulitzer gewonnen.«
    Der Sonntagsredakteur ging wieder an meinem Fenster vorbei, schaute herein, und ich schüttelte den Kopf.
    AM SPÄTEN ABEND NAHM Yardley Acheman die Maschine aus New York und tauchte am nächsten Morgen in einem seiner neuen Anzüge in der Nachrichtenredaktion auf. Als ich ihn sah, drei Tage vor seiner geplanten Rückkehr, da wusste ich, dass mein Vater recht gehabt hatte.
    Der Sonntagsredakteur trug mir noch einmal auf, sämtliche Motels in Moat County anzurufen, aber es schien ihm nicht mehr ganz so dringend zu sein. Offenbar war er enttäuscht, dass ich im Anrufen von Motels nicht besser war.
    GEGEN ELF KAMEN DIE NAMEN der Preisträger über
Associated Press
, und die Feier begann gleich hier im Büro mit der offiziellen Verkündung des Herausgebers, eines uralten Mannes mit rosigem Gesicht, der sein Büro im oberen Stock verlassen hatte, um nicht nur Yardley und meinem Bruder, sondern der gesamten Belegschaft zu gratulieren.
    Die Zeitung war ziemlich gut im Gewinnen von Pulitzerpreisen, und die Rede war schon zu anderen Gelegenheiten gehalten worden.
    Champagnerkorken knallten, sobald der Herausgeber wieder auf seinem Stockwerk war, und in den Büros der Lokalredaktion begann eine Party. Manche Journalisten tranken Champagner, manche arbeiteten noch an einer Story, manche machten beides. Yardley Acheman küsste alle gut aussehenden Frauen, wenigstens die, die ihn an sich ranließen.
    Aus Lately traf ein Telegramm ein. Mein Vater schrieb, dies sei der stolzeste Augenblick seines Lebens.
    Später wurde die Party in eine Bar auf der anderen Straßenseite verlegt, danach in ein Hotel neben der Bar.
    Das Hotel hatte auf dem Dach einen Swimmingpool, und Journalisten, die nie zuvor mit mir gesprochen hatten, setzten sich neben mich, rochen nach Scotch und gestanden mir ihre Bewunderung für meinen Bruder, obwohl er ein ziemlich komischer Kauz sei, und sie sagten, wie schade sie es fänden, dass er nicht zur Party kommen konnte.
    Zu den etwa dreißig am Pool versammelten Gästen der Party in jener Nacht gehörte auch eine junge Polizeireporterin namens Helen Drew. Miss Drew war übergewichtig und wie mein Bruder besessen von ihrer Arbeit, selbst in ihrer Freizeit. Manchmal kam sie in Wards Büro und fragte ihn in

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