Paperboy
Reporterin sich Bluse und BH ausgezogen und sie ihrem Vorgesetzten in der Lokalredaktion ins Gesicht geworfen hatte, wobei sie ihn als widerlichen Schmutzfink beschimpfte. Am nächsten Tag saßen der stellvertretende Lokalredakteur und die Reporterin wieder an ihren Schreibtischen, als wäre nichts geschehen.
An jenem Nachmittag, an dem mich der Sonntagsredakteur einen Klugscheißer genannt hatte, ging ich ins
Johnny’s
, wo Yardley Acheman und ein halbes Dutzend Journalisten bereits eine Sitzecke neben dem Eingang in Beschlag genommen hatten. Als ich hereinkam, sahen sie sich nach mir um, verstummten plötzlich und warfen mir dann, als ich an der Bar saß, verstohlene Blicke zu.
Ich genehmigte mir ein paar Drinks und fragte mich, was Yardley Acheman gerade über meinen Bruder erzählt hatte. Johnny servierte mir Doppelte. Einmal drehte ich mich um und sah, wie mich eine Frau an Yardleys Tisch anstarrte.
Sie lächelte mir zu und sah mich unverwandt an. Ich erwiderte ihren Blick, hatte eine Monster-Erektion und schaute erst weg, als ich rot wurde.
Später wechselte die Zusammensetzung am Tisch. Leute gingen nach Hause, in andere Bars oder an andere Tische, und die Frau, die mich angestarrt hatte, setzte sich neben mich an die Theke.
Sie blickte über ihre Schulter, dorthin, wo Yardley Acheman sich jetzt allein in der Ecke rekelte. »Was für ein eingebildetes Arschloch«, sagte sie.
»Der Schriftsteller«, sagte ich.
Sie steckte sich eine Zigarette an und legte ihre Hand wie zufällig auf mein Knie. »Glauben Sie, die lassen zu, dass sie ihn behalten dürfen?«
»Was?«
»Den Pulitzer.«
»Ich wusste nicht, dass man ihn wieder wegnehmen kann«, sagte ich.
Sie zuckte die Achseln und nahm ihre Hand von meinem Knie, um an ihrem Drink zu nippen. »Die Zeitung könnte sie zwingen, ihn zurückzugeben«, sagte sie.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zeitung so etwas tun würde.«
»Es wäre nicht das erste Mal«, sagte sie.
Einen Augenblick lang schwiegen wir, und dann fragte ich sie: »Sind Sie es nicht manchmal leid, ständig nur über die Zeitung zu reden?«
»Die anderen fragen sich bloß«, sagte sie, »wie Ihr Bruder damit zurechtkommt.«
»Als ich ihn das letzte Mal sah, ging’s ihm gut«, sagte ich.
»Seit der Story in der
Sun
ist er nicht mehr im Büro gewesen.«
»Er arbeitet zu Hause«, sagte ich.
Kurz darauf legte sie ihre Hand auf meinen Arm und beugte sich so dicht zu mir herüber, dass ich dachte, sie wolle mich küssen. »Haben Sie schon gehört, was Yardley so erzählt?« fragte sie.
»Nein, worüber denn?«
»Über Ihren Bruder.«
Ich drehte mich auf meinem Platz um und blickte ihn an, aber er hatte die Augen geschlossen und den Kopf nach hinten an die Wand der Sitzecke sinken lassen, den Mund leicht geöffnet. Im Dunkel der Bar sah es aus, als würde er lächeln.
Ich wollte plötzlich gehen, zog ein paar Dollar aus der Tasche, legte sie auf die Theke und stellte das Glas darauf. Als ich aufstand, spürte ich wieder ihre Hand auf meinem Bein.
»Wo wollen Sie hin?« fragte sie.
»Ich gehe schwimmen«, sagte ich.
Sie betrachtete mich lange mit prüfendem Blick und sagte dann: »Weißt du was, warum kommst du nicht mit mir schwimmen?«
AM NÄCHSTEN MORGEN eilte ich direkt aus den Armen der Frau zu Ward, um ihm zu gestehen, was damals vorgefallen war, als Helen Drew mich in meinem Apartment besucht hatte. Er öffnete die Tür im Pyjama.
Die Wohnung war heiß und roch nach Alkohol, der wieder ausgeschwitzt worden war. Ich riss einige Fenster auf, um zu lüften. Überall auf dem Boden lagen die Akten aus Moat County, einige waren feucht. Man konnte kaum durch das Zimmer gehen, ohne darauf zu treten.
Ich schob einen Stapel zur Seite und setzte mich aufs Sofa. »Die Kleine von der
Sun
? Helen Drew? Die Dicke?« fragte er. Ich nickte, und er brauchte einen Augenblick, um sich an sie zu erinnern. »Schien nett zu sein«, sagte er schließlich. Er lächelte mich an, als ginge da etwas vor, das ich nicht verstand.
»Weißt du«, sagte ich, »sie hat mich in meinem Apartment besucht.«
Ich schwieg, er wartete.
»Yardley hat ihr erzählt, du würdest behaupten, den Bauunternehmer gefunden zu haben.«
»Ich weiß«, sagte er und lächelte immer noch. »Das hat er auch der
Associated Press
erzählt. Im Vertrauen natürlich, und die haben es mir im Vertrauen weitererzählt.«
»Und was wollen sie?«
»Einen Artikel«, sagte er. »Das ist alles, nur einen neuen Artikel. Jemand
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