Paperboy
schreiben«, sagte er. »Was wollen Sie von denen?«
»Ich will ihnen helfen«, sagte sie, und er lachte laut.
JEDEN ABEND fuhr ich nach der Arbeit nach Thorn zum Haus meines Vaters und dachte unablässig an Charlotte Bless. Ihnen sind vielleicht schon Hunde aufgefallen, die sich über einen Kadaver im Gras rollen, weil sie den Geruch in ihr Fell reiben wollen. Genauso wollte ich sie.
Für mich war Hillary Van Wetter ein Konkurrent. Ich war größer, besser in Form und hatte schönere Zähne, und ich wollte sie, auch wenn ich noch nicht in meine Hose ejakuliert hatte, nur weil ich mit ihr in einem Raum saß.
Der Chrysler stand immer in der Auffahrt, wenn ich nach Hause kam. Mein Vater hatte den Kopf voll mit Zeitungsarbeit und ließ den Wagen oft mit dem Schlüssel im Zündschloss und sperrangelweit offener Tür stehen. Für jeden, der sich dem Haus näherte, musste es wie ein Notfall aussehen.
Es war dunkel an diesem Abend, und der kleine Lichtkegel im Wageninnern hatte Insekten angezogen, die sich wie kalte Asche auf meinem Arm anfühlten, als ich hineingriff, um den Schlüssel aus dem Zündschloss zu ziehen. Das Abendessen war schon vorbei, und mein Vater, ein Glas Wein auf dem Tisch neben sich, saß in seinem Sessel und ging die Zeitungen durch.
»Ich glaube, sie hat dir einen Teller in den Ofen gestellt«, sagte er und konnte sich wieder nicht an Anita Chesters Namen erinnern.
Er folgte mir in die Küche, den Wein in der Hand, um mir beim Essen zuzusehen. »Wie geht es Mr. Van Wetter?« Seine Frage sollte ein kleiner Scherz sein.
Ich sagte, ich wüsste es nicht, und das war die Wahrheit.
»Immer noch unschuldig?«
Ich schüttelte den Kopf, und das entsprach ebenfalls der Wahrheit. Dann saß mein Vater still da und wartete, wie er es so oft in letzter Zeit tat, und sein Schweigen brachte mich zum Reden. Es war ein Reportertrick, ich hatte gesehen, wie Ward ihn bei Anwalt Weldon Pine angewandt hatte.
Ich erzählte, womit Ward und Yardley Acheman den Tag verbracht, über was sie im Büro gesprochen hatten. Oft drehte es sich um Mr. Pine und die Verteidigung von Hillary Van Wetter. Weldon Pine und mein Vater waren gute Bekannte, nahmen sie doch beide in der Gesellschaft von Moat County eine herausragende Stellung ein.
»Der Mann hat den Ruf, der beste Anwalt im ganzen Staat zu sein«, sagte er, und ich schüttelte den Kopf, als ob ich es einfach nicht verstehen könnte. Inzwischen hatte ich genug vom Inhalt jener Kartons gesehen, in denen die Prozessmitschriften lagen, um zu wissen, dass Pine nicht sonderlich viel unternommen hatte, um Hillary Van Wetter zu helfen.
Er hatte kein Aufheben um das Messer gemacht und um die blutigen Kleidungsstücke, die von den Hilfssheriffs in der Küche gefunden worden und auf dem Weg nach Lately verloren gegangen waren. Außerdem hatte er Hillarys Onkel nicht aufgespürt; es gab nicht einmal Anzeichen dafür, dass er es versucht hatte.
»Kann sein«, sagte mein Vater, »dass Weldon Pine wusste, was er tat.«
»Sieht nicht so aus, als wenn er überhaupt etwas getan hätte«, sagte ich.
Und dann, in den langen Augenblicken danach, begriff ich, dass mein Vater ebenso wenig getan hatte. Seine Zeitung hatte über den Prozess berichtet, ohne Sheriff Calls Gewalttaten gegen die Schwarzen von Moat County zu erwähnen. Zu Lebzeiten des Sheriffs hatte mein Vater ihn mit allen Mitteln bekämpft, aber nach seinem Tod veröffentlichte die
Tribune
nicht einmal ihr sonst übliches Gnadengesuch für das Leben eines verurteilten Mörders.
»Weldon Pine ist ein geachteter und geschätzter Mann«, sagte er. »Einen solchen Ruf verdient man sich nicht über Nacht.«
Ich stritt nicht mit ihm, da ich wusste, dass er ebenso über sich wie über Mr. Pine sprach. Ich aß mein Abendessen, er nippte an seinem Wein. Eine ungeöffnete Ausgabe des
Daytona Beach News-Journal
lag neben seinem Arm auf dem Tisch, aber er hatte sie vergessen. Er wirkte lustlos.
»Siehst du diesen Yardley Acheman oft?« fragte er.
Ich nickte nur, da ich den Mund voll hatte.
»Er ist älter, nicht?«
»Er ist älter als Ward«, sagte ich.
»Wie alt? Fünfunddreißig? Vierzig?«
»Weiß nicht, vielleicht fünfunddreißig.«
Mein Vater dachte darüber nach und trank dann sein Glas aus. »Was hat er eigentlich gemacht, bevor sie die beiden zusammengesteckt haben?« fragte er. »Er ist schon lange bei der
Times
.«
»Ich weiß nicht mal, was er jetzt macht«, sagte ich. »Ward erledigt die ganze Arbeit. Angeblich
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