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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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– und die von allen anderen auch.«
    Der Ventilator vibrierte und änderte die Tonhöhe.
    »Wir müssen noch einmal mit ihm reden«, sagte mein Bruder.
    Weldon Pine dachte darüber nach, steckte sich eine Zigarette an, griff nach dem Telefon und bat die Sekretärin, ihn mit dem Staatsgefängnis zu verbinden.
    »Ich sollte Ihnen jede verdammte Stunde einzeln in Rechnung stellen«, sagte er.
    » ICH WÜRDE IHRE AUFMERKSAMKEIT gern auf den Abend lenken, an dem Sheriff Thurmond Call ermordet wurde«, sagte mein Bruder.
    Hillary Van Wetter saß in Handschellen vor uns und starrte Charlotte an. Sie trug Bluejeans und ein Hemd, das sie unter ihren Brüsten in einem Knoten zusammengebunden hatte.
    Auf der Fahrt von Lately hierher hatte sie zweimal ihre Frisur geändert, sich erst die Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und dann, einige Meilen später, die Spange gelöst, die ihr Haar zusammenhielt, damit es ihr auf natürlichere Weise über die Schultern fiel. Anschließend hatte sie sich prüfend im Rückspiegel betrachtet, eine Dose Haarspray aus der Tasche geholt und sich, immer noch in den Spiegel schauend, in kleinen, kreisenden Bewegungen damit das Haar besprüht, bis es glänzte.
    Eine Stunde später konnte ich ihr Haarspray immer noch auf den Lippen schmecken.
    »Wo ist das Kleid?« fragte Hillary.
    Überrascht blickte sie an sich herunter.
    »Mr. Van Wetter«, sagte mein Bruder, »wir haben bloß eine Viertelstunde …«
    Hillary Van Wetter wandte sich ihm zu. »Zeitungsjunge«, sagte er. »Hör auf, mir was von Zeit zu erzählen. Das ist deprimierend.«
    »Sie haben vor Gericht ausgesagt, dass Sie mit Ihrem Onkel zusammen gearbeitet haben.«
    »Hab ich das?« sagte er und blickte wieder Charlotte an. »Hier tragen sie alle Hosen«, sagte er. »Ich mag Kleider.«
    Einen Augenblick lang richtete er seine Aufmerksamkeit auf Yardley Acheman, der neben der Tür saß, Charlotte beobachtete und irgendwie Maß an ihr nahm, bis Hillary Van Wetter ihn dabei überraschte. Etwas ging von diesem Zimmer oder von Hillary aus, das Yardleys Interesse an Charlotte weckte.
    Charlotte nickte Hillary zu und lächelte, wodurch sie Hillarys Aufmerksamkeit von Yardley Acheman ablenkte.
    »Mit solchen Klamotten hat’s keinen Sinn, sich mit mir zu treffen«, sagte er.
    »Tut mir leid«, sagte sie, und er wandte den Blick von ihr ab.
    In die anschließende Stille hinein sagte mein Bruder: »Was war das für eine Arbeit?«
    Hillary Van Wetter schaute ihn an, ohne zu antworten.
    »Was haben Sie an jenem Abend getan?« hakte mein Bruder nach.
    Hillary schüttelte den Kopf.
    »Rasen«, sagte er schließlich.
    Yardley Acheman richtete sich in seinem Stuhl auf.
    »Rasen? So wie Gras?« Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Wo?«
    Hillary Van Wetter wandte sich wieder Charlotte zu, ehe er antwortete, starrte sie an, bis sie ihre Arme verschränkte, um sich vor seinen Blicken zu schützen. »Das lässt sich leicht rausfinden«, sagte er.
    Und dann, ohne den Ton zu ändern, sagte er zu ihr: »Nächstes Mal wieder mit Kleid, verstanden?«
    »Okay«, sagte sie leise.
    »Ich muss Ihren Onkel treffen«, sagte mein Bruder.
    Als Hillary Van Wetter aufstand, fiel die Kette, die seine Fußfesseln verband, zu Boden. »Na, dann viel Glück«, sagte er und ging zur Tür. Er ging wie ein Mann, dem die Hose heruntergerutscht war, er ging, ohne Charlotte noch einmal anzusehen.
    »Wo wohnt er?« fragte mein Bruder.
    Hillary trat an die Tür, um sich abführen zu lassen.
    »Mr. Van Wetter! Sagen Sie mir, wie ich ihn finden kann.«
    Er drehte sich um und schaute meinen Bruder an. »Hast du ein Boot, Zeitungsjunge?«
    Mein Bruder schüttelte den Kopf.
    »Dann kann ich dir auch nicht sagen, wie du ihn finden kannst.«
    Daraufhin öffnete der Wachposten die Tür. »Ihnen stehen noch sieben Minuten zu.«
    Hillary Van Wetter schlurfte an ihm vorbei aus dem Zimmer. »Ich hatte heute schon länger Besuch, als ich verkraften kann«, sagte er.
    AUF DER HEIMFAHRT saß sie auf dem Rücksitz in der Ecke, sodass ich sie nicht im Spiegel sehen konnte. Yardley Acheman saß ebenfalls hinten. Er steckte sich zwei Zigaretten an und gab ihr eine. Sie nahm sie wortlos, wie sie ihr angeboten wurde, und nachdem sie den Rauch in ihre Lunge gesogen hatte, konnte ich hören, wie sie den Atem anhielt.
    »Erklären Sie mir eines«, sagte Yardley Acheman. »Was wollen Sie eigentlich von denen?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Von den Typen in der Todeszelle, die diese Briefe

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