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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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er. »Ihre Arbeit nimmt sie zu sehr in Anspruch.«
    »Wann hätten sie denn Zeit für mich?« fragte Ward.
    Der Deputy schüttelte wieder den Kopf. »Versuchen Sie es morgen noch einmal.«
    Er wartete.
    »Sind Sie einer dieser Polizisten?« fragte Ward. Der Deputy schaute auf die Namen, als könne er sich nicht daran erinnern. Die Stelle über seiner Tasche war heller als das übrige Hemd, außerdem war dort ein Loch im Stoff. Er hatte sein Namensschild abgenommen.
    »Ich weiß nicht, was diese Frage damit zu tun hat«, erwiderte er. »Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass wir im Augenblick keine Zeit für Sie haben.«
    »Sind Sie einer dieser Polizisten?« erkundigte sich mein Bruder so geduldig, als würde er diese Frage zum ersten Mal stellen.
    »Ich bin derjenige«, sagte er, »der Ihnen sagt, dass Sie damit aufhören sollen, damit wir wieder unserer Arbeit nachgehen können.«
    Mein Bruder schaute auf die Namensliste. »Wer von denen sind Sie?« fragte er, und der Deputy warf ihm einen mörderischen Blick zu.
    »Wissen Sie, es gibt Leute«, sagte er schließlich, »die wollen einfach nicht, dass man sie gut behandelt.«
    Ward nickte, als wäre dies ein Kompliment.
    Der Deputy verschwand, und wir standen bis um halb fünf im Zimmer, als die Putzfrau kam und sagte, dass das Büro nun geschlossen sei.
    »Danke sehr«, sagte mein Bruder, und wir gingen an ihr vorbei zur Tür hinaus. Als wir auf den Flur traten, konnte ich hören, wie mehrere Leute in Jubelgeschrei ausbrachen. Ich kehrte noch einmal zurück zur Tür und sah, dass die Deputies aus dem Hinterzimmer gekommen waren, um der Putzfrau zu applaudieren. Sie stand mitten im Zimmer, in der Hand einen Mopp, der in einem Eimer auf Rollen steckte, und schaute verlegen drein, fand die plötzliche Aufmerksamkeit aber offenbar nicht sonderlich überraschend. Als wäre es dafür auch höchste Zeit gewesen.
    Es war Ladenschluss. Die Einwohner von Lately kamen aus ihren Geschäften und Büros und schlossen hinter sich die Türen. Schulkinder trieben sich auf den Straßen herum, manche rauchten und aßen gleichzeitig Schokoladenriegel. Die älteren, die von der Highschool, lehnten sich aus den Fenstern der viertürigen Limousinen ihrer Väter, die Fahrer gaben Gas und ließen die Motoren aufjaulen, bis ihr Getöse wie ein Schrei klang.
    Ward und ich hatten dieses Ritual auch schon in Thorn beobachtet, aber nie daran teilgenommen.
    »Stellt euch vor«, sagte mein Vater manchmal, »wie es sein würde, wenn euer Name in einem Polizeibericht auftauchen und dann in der Zeitung eures eigenen Vaters stehen würde.«
    Auf seine Art bedeutete er uns, dass man uns keine Sonderbehandlung zukommen lassen würde, doch das wussten wir längst. Ward und ich waren in einem Haus aufgewachsen, in dem die Prinzipien meines Vaters regelmäßig Gesprächsgegenstand waren. Wir wurden oft gebeten, uns vorzustellen, wie peinlich es wäre, wenn unsere Namen in der Zeitung stünden. Ward schien sich das besser vorstellen zu können als ich. Der Gedanke bedrohte ihn auf eine Weise, die ich nicht verstand.
    Irgendwann begriff mein Vater natürlich, dass er keinen Anlass zur Sorge hatte, mein Bruder könne einmal Schwierigkeiten haben.
    Und vielleicht begann er damals, sich zu fragen, warum Ward noch nie in irgendwelche Schwierigkeiten geraten war und warum er keine Freunde hatte, mit denen er überhaupt in Schwierigkeiten geraten konnte.
    Ich schaute Ward an und überlegte, ob er Yardley für einen Freund hielt. »Und wieder geht ein schöner Tag im Zeitungsbusiness zu Ende«, sagte ich.
    Er zuckte die Achseln: »War nicht übel.«
    Ich hielt an und wartete darauf, dass vor uns eine Frau ihren Kinderwagen über die Straße schob. Hinter mir hupte eine Meute Kids in einem Plymouth, und die Frau zuckte zusammen, blickte erschreckt zum Fahrersitz unseres Wagens, da sie annahm, dass ich gehupt hatte, und eilte dann auf die andere Straßenseite. Ich hatte sie nie zuvor gesehen und rechnete nicht damit, sie jemals wiederzusehen, aber ich dachte daran, aus dem Wagen zu steigen und ihr zu sagen, dass es der Fahrer hinter mir gewesen war, der auf die Hupe gedrückt hatte.
    Ich sorgte für hundert Missverständnisse am Tag, konnte aber selbst die wichtigen nicht klären, geschweige denn aus der Welt schaffen.
    »Ich weiß nicht, was das gebracht haben soll«, sagte ich und meinte den Nachmittag im Büro des Sheriffs.
    »Wir waren da«, sagte er.
    »Ist das alles?«
    »Das ist genug«, sagte er.
    Und dann

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