Paperboy
mich im Spiegel an. Über ihre Intelligenz wusste ich nichts zu sagen. »Scheint mir zu wissen, was sie will«, fuhr er fort.
Ich musterte ihn und fragte mich, ob er wusste, was er da sagte. Auf dem Weg zur Tür klopfte er mir sanft auf den Rücken, eine Geste aus meiner Kindheit, die jetzt aber etwas anderes zu bedeuten schien.
»Du brauchst nicht dazubleiben, wenn du keine Lust hast«, sagte er.
Sie saß meinem Vater gegenüber, als ich zurückkam, und ignorierte die Blicke eines Mannes an der Bar. Der Mann trank Starkbier und hatte sich seit zwei, drei Tagen nicht rasiert. Auch nachdem ich mich hingesetzt hatte, starrte er sie bestimmt noch eine volle Minute an, tanzte auf der Stelle zur Musik aus der Jukebox, während ihm die Hose fast von den Hüften rutschte. Doch dann warf mein Vater, der mit Tequila und mit Miss Guthrie abgefüllt war, einen mörderischen Blick in seine Richtung, sodass er sich schließlich umdrehte.
Der Mann war dürr und dreckig, mit einem Adamsapfel groß wie eine Walnuss. Meerjungfrauen waren auf seine Unterarme tätowiert, und er erinnerte mich an die Freigänger aus dem Gefängnis in Starke. Ich sah ihm zu, wie er sich eine Zigarette ansteckte, das Bier austrank und dann seinen Blick wandern ließ, um so viel wie nur möglich von Ellen Guthrie in sich aufzunehmen.
Mein Vater ertappte ihn dabei. »Suchen Sie was?« fragte er.
»Himmel«, sagte ich, doch ihre Hand strich unter dem Tisch über mein Knie, als wollte sie mich beruhigen. Der Mann lächelte, schaute erst meinen Vater und dann Miss Guthrie an. Seine Zähne ließen sich ebenso rasch zählen wie die Zahnlücken. Der Kopf wirkte seltsam lang gezogen, und es schien mir höchst unwahrscheinlich, dass er keine Waffe bei sich trug.
Er musterte mich mit raschem Blick und tat leichthin ab, was er sah. Er rückte einen Schritt von der Theke ab und ging auf unseren Tisch zu. »Hören Sie«, sagte ich, »wir wollen keinen Ärger.«
Er starrte mich mit aller Bösartigkeit an, die er aufbringen konnte, aber ich war in einem Zimmer mit Hillary Van Wetter gewesen und wusste, wann ich es mit einem wirklich gefährlichen Mann zu tun hatte. Dieser da war ein typischer Freigänger.
»Hab ich vielleicht mit dir geredet?« fragte er.
Und dann stand er an unserem Tisch, beugte sich über uns und lächelte. »Also«, sagte er, »was ist los? Was hast du gesagt?«
Der Barkeeper merkte, was vor sich ging, und pfiff den Mann zurück. »Lass die Leute in Ruhe, Cleveland, und setz dich wieder auf deinen Hocker«, sagte er.
Doch der Mann blieb, wo er war. »Sie riechen mächtig süß«, sagte er zu meinem Vater, »wissen Sie das?«
»Wenn ich an Ihrer Stelle wäre«, sagte ich, »würde ich mich wieder auf den Hocker setzen.«
»Ich werde schon mit ihm fertig«, sagte mein Vater, aber der Mann hatte sich bereits zu mir umgedreht.
»Was soll das denn heißen?« fragte er.
»Verdammt, Cleveland!« rief der Barkeeper, aber der Mann hob die Hand, als wolle er ihn zum Schweigen bringen.
»Das soll heißen, dass Sie an den falschen Tisch gekommen sind«, sagte ich, dachte daran, was Ward zugestoßen war, und fand mich im selben Augenblick bereit, diese Sache durchzustehen. Der Mann schien das zu spüren, ging zurück zu seinem Hocker an der Bar und beschwerte sich beim Barkeeper: »Die arbeitende Bevölkerung hat auch ihre Rechte«, sagte er.
Mein Vater funkelte ihn wütend an, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber auf Näherliegendes. »Lassen Sie sich von dem da nicht stören«, sagte er zu ihr.
Sie klimperte mit den Augen und zögerte den Augenblick in die Länge. »Danke«, sagte sie schließlich. »Solche Männer jagen mir schreckliche Angst ein.«
In Wahrheit hätte sie einen solchen Mann ohne einen heilen Knochen im Leib nach Hause schicken können.
Einige Minuten später verließ der Mann die Bar, und kaum war er fort, stand ich ebenfalls auf, um mich zu verabschieden. Überall auf dem Tisch standen Margarita-Gläser, die Aschenbecher waren voller Zigarettenstummel. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Zigaretten nur etwa zu einem Drittel zu rauchen und sie dann auszudrücken, um mit dieser Geste einzelne Worte zu betonen.
ALS ICH MORGENS aus dem Haus ging, traf ich meinen Vater, der gerade heimkehrte. Seinen Chrysler hatte er über die Auffahrt und dann in den Hof rollen lassen und war schwankend ausgestiegen. Sein Hemd hing ihm aus der Hose, er hatte keine Socken an. Er sah verschlafen aus, betrunken und ziemlich
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