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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Küche Messer schleifte – ein Zeichen dafür, dass sich die Lage für die Zeitung nicht gebessert hatte. Es gehörte zu seinen Gewohnheiten, Messer zu schleifen, wenn er sich Sorgen machte. In dem Jahr, in dem uns meine Mutter verließ, konnte man in keine Bestecklade fassen, ohne sich blutige Finger zu holen.
    Ich ging durch die Küche zur Garage. Er war jetzt ständig mit Miss Guthrie zusammen, kam spät nach Hause und lächelte jeden Abend, eingehüllt in süßliche Düfte. Morgens meldeten sich die Probleme zurück.
    Es war Sonntag, und ich wollte nach St. Augustine. Ich hatte mir in der letzten Woche ein Auto gekauft, einen acht Jahre alten Ford Kombi mit verrostetem Auspuff und einem Gaspedal, das stecken blieb, wenn man es durchdrückte. Der Wagen hatte dreihundertfünfzig Dollar gekostet. Da ich wusste, wie peinlich es meinem Vater gewesen wäre, ein Dreihundertfünfzigdollarauto vor dem Haus zu sehen, ließ ich ihn in der engen Gasse stehen, die unser Grundstück von dem unseres Nachbarn trennte. Manchmal, wenn ich abends spät nach Hause kam, stellte ich schon auf der Straße den Motor aus und ließ den Wagen die Gasse hinunterrollen, bis er stehen blieb.
    Er legte den Wetzstein auf die Arbeitsfläche neben dem Waschbecken, drückte mit den Fingern gegen den Klingenrand und rieb das Messer in kleinen Kreisen über den Stein. Er war ein Perfektionist, wenn es um seine Messer ging, und hatte ein instinktives Gespür für jene Stelle, an der sich Stein und Stahl berührten, ein gewisses Verständnis für die Natur von Reibung.
    »Wie ich sehe, hat man den Prozess von diesem Van Wetter wieder aufgerollt«, sagte er. Er hatte dies, unter anderem, auf der Titelseite seiner eigenen Zeitung gelesen. Dort war die Story bereits die ganze Woche über mit der einen oder anderen Meldung aufgetaucht, wie auch auf den Titelseiten der meisten übrigen Zeitungen in Florida. Doch im Gegensatz zu allen anderen Zeitungen ließ die
Moat Tribune
die Namen der Reporter der
Miami Times
unerwähnt, die für die Wiederaufnahme des Prozesses verantwortlich waren.
    Drei Anzeigenkunden hatte mein Vater nicht zurückgewinnen können.
    Er begann mit der Messerspitze, seine Fingerspitzen waren hellrot. Er rieb jetzt langsamer, vorsichtiger, als spüre er den Moment nahen, an dem er aufhören musste.
    »Vielleicht wird die Verhandlung irgendwo anders geführt«, sagte ich und dachte, dass es besser für ihn wäre, wenn man den Prozess in eine andere Stadt verlegte.
    »Ich bezweifle, dass es überhaupt so weit kommt«, sagte er, und seiner Stimme war anzuhören, dass er noch immer das Messer an den Stein drückte. »Leute sind fortgezogen, Beweisstücke verloren gegangen …«
    Seine Stimme erstarb, ich hörte die Klinge über den Stein schleifen. Ein leises, unaufdringliches, mahlendes Geräusch, das einem niemals auffallen würde, gäbe es nicht diese Stille, die nur zwischen zwei Menschen herrschen kann, eine ganz andere Stille als jene, auf die man unter Wasser trifft.
    »Sie werden ihn laufen lassen«, sagte er, und dann hielten seine Hände inne, und er schaute mich vorwurfsvoll an. Ich zuckte die Achseln.
    »Dann wird er wieder an den Fluss ziehen.« Ich war in einem engen Raum mit Hillary Van Wetter eingesperrt gewesen und wusste, was für ein Mensch er war. Ich hatte die Eigenart seiner bösartigen Neigungen gespürt, die Erleichterung, wenn er sich wieder meinem Bruder, Yardley Acheman oder Charlotte zuwandte. Doch obwohl ich ihn verstand, begriff ich nicht, was es für einen Unterschied machte, ob er vom Staat auf den elektrischen Stuhl geschickt wurde oder in den unzugänglichen Sümpfen lebte.
    »Nun«, sagte mein Vater. »Das wird er wohl.«
    Damit war die Sache für ihn erledigt, und er fragte: »Hast du in letzter Zeit mit deinem Bruder geredet?«
    Ich hatte Ward in dieser Woche ein halbes Dutzend Mal angerufen, aber er war nie in seinem Apartment gewesen, und falls doch, war er nicht ans Telefon gegangen. »Ich glaube nicht, dass er sich noch Gedanken um Hillary Van Wetter macht«, sagte ich.
    Mein Vater lächelte, ein sprödes, zaghaftes Lächeln, da er wusste, dass ich unrecht hatte. Ward war nicht der Sohn, der aufgab, wenn die Dinge schwierig wurden. »Er wird sich schon seine Gedanken machen«, sagte er.
    Ich wartete noch einen Augenblick, dann ging ich zur Tür.
    »Ist da in Daytona noch etwas anderes passiert?« fragte er plötzlich. Ich drehte mich um und schaute ihn an.
    »Du bist doch da gewesen«, sagte

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