Paperboy
blinzelte. Ich verstand nicht, was sie meinte. »Sie sind schon übern Berg«, sagte sie. »Männer erleben ihren sexuellen Höchststand mit sechzehn, das ist eine Tatsache.«
Ellen Guthrie begann mir zu missfallen.
»Wenn Sie noch sechs Stunden warten wollen, dann kommen die Zeitungsjungen«, sagte ich.
Und das entlockte ihr ein Lächeln, und sie trank noch mehr Bier und zerzauste mein Haar. »Wissen Sie«, sagte sie, »Sie könnten glatt für sechzehn durchgehen.« Und dann küsste sie mich flüchtig aufs Ohr und ging auf die Veranda.
Ich ging nach oben und überlegte, was ich davon halten sollte. Am Morgen musste ich immer noch daran denken, als ich mit dem voll beladenen Truck auf dem Highway nach Süden fuhr, doch da kam es mir so vor, als ob sie kein Wort ernst gemeint hatte. Als wollte sie möglichst viele Männer foltern, um uns heimzuzahlen, dass sie in den Arsch gefickt worden war.
Wahrscheinlich hatte sie auch den beiden Laufjungen in der Nachrichtenredaktion der
Times
erzählt, dass sie sich wünschte, sie wären erst sechzehn.
DIE DRUCKMASCHINEN MEINES VATERS standen im Keller desselben dreistöckigen Gebäudes, in dem auch die Redaktion, die Anzeigenabteilung und der Vertrieb untergebracht waren. Sein Büro befand sich im obersten Stock hinter den Redaktionsräumen. Von dort konnte er aus einem Fenster auf die Verladerampe und auf seine drei Lieferwagen schauen, die am Morgen an- und abfuhren.
Es gab eine Treppe, die von der Nachrichtenredaktion zu den Druckmaschinen und auch bis zu den Laderampen führte, und viele Reporter und Redakteure, die ihre Wagen hinter dem Haus abstellten – mein Vater hatte es gern, wenn der Platz vor dem Gebäude für die Bürger von Thorn frei blieb, damit sie beim Einkaufen ungehindert parken konnten –, betraten oder verließen ihre Büros über diese Treppe.
Es war daher für mich keineswegs ungewöhnlich, auf dem Weg ins Haus einem Reporter oder Redakteur über den Weg zu laufen, wenn ich spätmorgens von meiner Route zurückkehrte. Meistens waren sie dann auf dem Weg zum Mittagessen.
Meinen Vater sah ich selten, da es zu seinen Gewohnheiten gehörte, den Haupteingang zu benutzen. Wahrscheinlich genoss er das Gefühl, das eigene Zeitungsgebäude zu verlassen, um hinaus in seine Gemeinde zu gehen. Doch hatte sich dieses Gefühl seit der Veröffentlichung der Van-Wetter-Story in der
Miami Times
geändert.
Eine Woche nachdem ich mit Ellen Guthrie zu Hause auf der Treppe gesessen hatte, kam ich eine Stunde später als sonst zurück – mir war gleich hinter Thorn die Kühlerleitung gerissen – und sah sie neben meinem Vater an der Laderampe stehen. Er redete, sie hörte zu und stand etwas dichter bei ihm, als unbedingt nötig gewesen wäre, rauchte eine Zigarette und lächelte. Sie schauten auf und sahen zu, wie ich den Lieferwagen rückwärts in seine Bucht manövrierte. Die anderen Wagen standen bereits an ihrem Platz.
Ich stieg aus, und mein Vater sah auf die Uhr.
Solange ich mich erinnern kann, sorgte er sich, dass es mit dem Geschäft bergab gehen könnte, wenn die Zeitungen zu spät ausgeliefert wurden – zu Recht, denke ich –, dass die Zeitungen meist aus Gewohnheit gelesen wurden, dass sie Teil eines täglichen Rituals waren und dass, wenn die Zeitungen nicht zur ausgemachten Zeit vor der Tür des Lesers lagen, dieses Ritual abgeschafft werden konnte. Das Fernsehen stand stets bereit, ihren Platz einzunehmen.
Die Van-Wetter-Story in der
Times
hatte zu einem Anzeigenrückgang geführt, ihn aber noch keine Abonnenten gekostet, doch davor hatte er Angst, und er verbarg diese Angst nicht sonderlich gut, nicht einmal vor Miss Guthrie.
»Sie kamen alle zu spät«, sagte er und vergaß, dass sie neben ihm stand.
»Alle, die in meinem Lieferwagen waren«, sagte ich, und mein Vater drehte sich um und fasste Ellen Guthrie am Arm.
»Ellen hat heute Geburtstag«, sagte er. »Komm mit uns essen.«
Ich ging mit ihnen, blieb manchmal einen Schritt zurück und betrachtete Miss Guthries schwingenden Hintern. Mir kam es vor, als wäre sie teurer gekleidet als Charlotte, sei aber nicht ganz so prinzipienfest.
»Heute ist Ellens vierzigster Geburtstag«, sagte mein Vater. Ich warf ihr einen raschen Blick zu, da sie mir erzählt hatte, dass sie einundvierzig wurde. »Wir wollen uns richtig einen hinter die Binde kippen.«
Mein Vater lud all seine Angestellten an ihren Geburtstagen zu einem Drink ein, wenigstens alle, die er mochte. Allerdings hatte er
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