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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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normalerweise nicht die Absicht, sich einen hinter die Binde zu kippen.
    Wir öffneten die Tür zum Thorn Grill und betraten die kühle Dunkelheit. Es war der einzige Ort in der Stadt, an dem man vor sechs Uhr abends Alkohol zu trinken und etwas anderes als Pökelfleisch zu essen bekam. Er nahm sie beim Hineingehen am Arm, als wolle er sie im Dunkeln führen, und mir schien, er hielt sie länger, als nötig gewesen wäre. Wir saßen in unserer Nische auf Plastikkissen, und ich schaute über den Tisch hinweg meinen Vater an, da ich nie zuvor mit ihm einen trinken gegangen war, da ich nie zuvor auch nur daran gedacht hatte, mit ihm in derselben Bar zu sitzen.
    Wir hatten jeder vier Margaritas getrunken, als Ellen zur Toilette musste. Mein Vater starrte ihr nach, dann griff er wieder nach seinem Drink und trank aus, was noch im Glas war.
    » ICH HABE JACK BEREITS ERZÄHLT , dass ich den Artikel über den Mann drüben in Lately einfach gut geschrieben finde«, sagte sie zu meinem Vater, als sie zurückkam. »Auch wenn er hier in der Gegend schlecht angekommen ist.«
    Sie hatte ihre Lippen nachgezogen und etwas mit ihren Augen angestellt. Mein Vater stützte sein Kinn auf, als müsse er über ihre Worte nachdenken.
    »Die journalistische Arbeit«, sagte sie, »war doch sehr solide.«
    Er nickte und griff wieder nach seiner Margarita. Die ersten Drinks hatte man uns mit Papierschirmchen serviert, die über den Glasrand hingen, aber mittlerweile waren ihnen wohl die Schirme ausgegangen.
    »Ward ist ein verdammt guter Reporter«, sagte er schließlich.
    »Schrecklich, was ihm in Daytona Beach passiert ist«, sagte sie. Mein Vater steckte seinen Finger in den Drink und rührte um.
    »Ja, das ist es«, sagte er, »aber Ward ist ein zäher Bursche.«
    »Mir ist bei der Arbeit auch einmal etwas zugestoßen«, sagte sie kurz darauf, und sie und ich schauten uns an, ehe sie fortfuhr.
    »Eine von diesen Geschichten, die man nie mehr loswird«, sagte sie. »Vielleicht bin ich deshalb keine Reporterin mehr.«
    Mein Vater wich einige Zentimeter zurück, als wollte er sie genauer in Augenschein nehmen. Sie erwiderte seinen Blick ruhig und gelassen, aber ein wenig erregt.
    »Was ist passiert?« fragte er schließlich.
    Sie zuckte die Achseln. »Ich wurde überfallen«, sagte sie, ließ die Worte im Raum stehen und nahm noch einen Schluck von ihrer Margarita. Wieder starrte sie ihn an.
    »Und in den Arsch gefickt«, sagte sie.
    Er blinzelte und wandte dann den Blick ab. Sie starrte ihn immer noch an, wartete ab. Dann schaute er wieder zu ihr hinüber.
    »Als Sie für einen Artikel recherchiert haben?« fragte mein Vater.
    Sie zuckte die Achseln, fuhr mit einem Finger über den Rand ihres Glases und lutschte das Salz ab.
    »Sie waren zu zweit, sie haben sich abgewechselt.«
    Mein Vater sah sich nach der Kellnerin um und hob drei Finger, um neue Drinks zu bestellen. Er schwitzte, obwohl er unmittelbar im Luftstrom der Klimaanlage saß.
    »Der eine hat mich festgehalten«, sagte sie und hielt dann inne. »Macht es Ihnen wirklich nichts aus, sich das anzuhören?«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte er.
    »Der eine hat mich festgehalten, und der andere hat mich von hinten vergewaltigt. Dann haben sie ihre Plätze getauscht, sich anschließend ausgeruht und mich dann noch mal gemeinsam vergewaltigt.«
    Einen Augenblick lang war am Tisch nur das Geräusch der Klimaanlage zu hören. Sie beugte sich zu meinem Vater hinüber, halb betrunken bereits, und flüsterte ihm aus wenigen Zentimetern Abstand ins Ohr: »Deshalb weiß ich, wie das ist, das, was mit Ward passiert ist.«
    »Ward wurde nicht vergewaltigt«, sagte ich.
    Sie verstummte und schaute mich an. »Ich glaube, eine Gewalttat ist wie die andere. Es läuft auf dasselbe hinaus, wenn einer mit dir machen kann, was er will.«
    Falls mein Vater über ihre Worte bestürzt war, ließ er es sich nicht anmerken. Er lächelte sie beschwipst an und schien voller Verständnis zu sein.
    »Immerhin musste ich nicht operiert werden«, sagte sie.
    Sie sahen nicht auf, als ich mich erhob und zur Toilette ging, doch gleich nachdem ich die Tür zugezogen hatte, ging sie wieder auf, und mein Vater kam herein. Er warf einen prüfenden Blick in den Spiegel, kämmte sich das Haar aus der Stirn, nahm eine Pille aus der Hemdtasche und legte sie sich unter die Zunge. Dann spritzte er sich etwas Wasser ins Gesicht und trocknete sorgfältig seine Hände.
    »Scheint mir eine kluge Frau zu sein«, sagte er und sah

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