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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Dokumentarfilmer, in Auftrag gegeben. Damals war er unter Mark Boxer Redakteur beim ›Tatler‹. Er machte eine Umfrage für die Weihnachtsausgabe über das, was die Leute so alles nicht taten. Er rief mich an und wollte wissen, ob es etwas gäbe, das ich partout nicht tat. Gavin Stamp und Brian Sewell und andere gaben Auskunft darüber, warum sie niemals fernsähen oder Auto führen oder Urlaub machten und so weiter. Das einzige, was mir einfiel, dem ich völlig entsagte, war Sex. Seither hat dieser kleine Artikel meine Geduld auf eine harte Probe gestellt. In jedem einzelnen Interview werde ich nach meinem Zölibat befragt. In jedem einzelnen Artikel über mich beklagt man sich darüber (wie ich annehme, völlig zu Recht), daß ich mich »stundenlang über meine sexuelle Abstinenz auslasse«. Alles meine Schuld. Nur fürs Protokoll: Ich bin immer noch so rein wie 1985, als ich diesen Text erstmals veröffentlichte.
     
    Vielleicht erinnern Sie sich noch an Lord Hailsham, der Anfang dieses Jahres wichtigen Kabinettsangehörigen Briefe schrieb, in denen er ihnen mitteilte, er mißbillige es zutiefst, wenn man »Sex habe«. Quintin und ich haben im Laufe der Jahre mancherlei Meinungsverschiedenheiten gehabt – zum Beispiel haben wir uns immer über John Denver gestritten –, aber beim Thema Sex sind wir ein Herz und eine Seele.
    Ich habe – Hailsham möge für sich selbst sprechen – seit vier Jahren keinen Sex mehr gehabt. Weder begann das als bewußtes Annehmen der lobenswerten Tugenden desZölibats, noch mußte ich prinzipielle Unverfügbarkeit vorschützen, weil mich eh keiner haben wollte. Vielleicht gleiche ich ja weniger einem Ölbild als einem Ölteppich, aber ich glaube, wenn mir der Sinn nach fleischlicher Vereinigung stünde, dann könnte ich zu ihr gelangen, ohne bezahlen zu müssen. Ich habe dem Koitus aus utilitaristischen Erwägungen die rote Karte gezeigt: Das von ihm verursachte Unbehagen, Mißfallen und der Ärger überwogen alle flüchtigen Explosionen von Behagen, Annehmlichkeit und Trost. Ein simples Kalkül der Glückseligkeit.
    Sex bereichert und vertieft keine Beziehung, er entwürdigt und destabilisiert sie auf Dauer. Alle meine Bekannten, die zu ihrem Unglück einen Sexpartner haben, einen Freudenspender, Bettgefährten, Lustgymnasten, wie immer Sie sie nennen wollen, merken, daß – nach ein oder zwei Wochen langer, himmlischer Nachmittage, an denen man das Biest mit den zwei Rücken gemacht hat oder das Biest mit einem Rücken und einer komisch geformten Mitte oder das Biest mit in der Luft strampelnden Beinen und in die Matratze gekrallten Fingern – die Beziehung dämmert, wenn Partner A immer noch Lust auf das Placken, Schuften und Schwitzen hat, während Partner B sich lieber auf die Seite drehen und noch ein bißchen Mike und Psmith schmökern möchte. Düstere Wochen folgen. A fällt es schwer, B nach neun Uhr abends noch in die Augen zu sehen, und B verkündet mit nonchalanter Stimme, er oder sie sei »total fertig«, bloß damit A weiß, »heute läuft nichts«, und ehe noch ein Monat ins Land gegangen ist, zeigen sich die ersten Risse.
    In meiner Bewunderung für die erotischen Fähigkeiten des menschlichen Körpers lasse ich mich von niemandem ausstechen. Die Kontemplation der Erotik ist ein herzerfrischendes Bild in des Lebens reichhaltigem Comic. Aber man nehme doch bitte nicht an, der Akt des Koitierens habe irgend eine erotische Qualität. Ein Lächeln, ein Gang,ein Hüftschwung, die Art, sich das Haar aus der Stirn zu streichen, die Weise, wie Kleider den Körper umhüllen, all das kann erotisch sein, aber ewig stünde ich in des Menschen Schuld, der mir sagen könnte, was an jenen feuchten, dunklen, übelriechenden und ekelhaft buschigen Körperregionen so unwiderstehlich sein soll, die auf dem Bankett der Liebe die Hauptspeisen abgeben. Dringt man in diese Gegenden vor, so bringen sie unweigerlich alle möglichen chemischen Reaktionen in Gang: das Blut gerät in Wallung, der Atem geht schneller, und das Herz klopft. Sobald man sich den Drogen hingibt, die der eigene Körper bereithält, sind dem würdelosen, ungesitteten und tierischen Schauspiel, das noch der sonst vernünftigste und anmutigste von uns bieten wird, keine Grenzen mehr gesetzt. Und, meine Lieben, der
Geruch
erst …
    Machen wir uns doch nichts vor: Wir sind der funktionalen Notwendigkeit dieser Begierden entwachsen. Es gab einmal eine Zeit, als der Mensch den Geschlechtsakt noch nicht mit der

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