Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Rekord ja auch für frivol oder skandalös. Es würde den Britischen Freiheitsverband (falls das sein richtiger Titel ist) in semantischen Unsinn verwandeln, wenn er wirklich etwas gegen Leute hätte, die im Fernsehen das Wort »fuck« in den Mund nehmen, aber andererseits haben schlechtere Menschen als er im Namen der Freiheit Bedeutung in Unsinn verwandelt, so daß es mich nicht sonderlich überraschen würde.
Wichtig sind die Einzelheiten jener Begegnung, bei der Kenneth Tynans alter Rekord übertroffen wurde. Die Voraussetzungen für einen so kühnen Vorstoß waren ideal:eine live ausgestrahlte Talkshow zu vorgerückter Stunde, die, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, moderiert wurde von Roger Cook und Susan Jay, Zuschauern allerorten wohlbekannt. Austragungsort war der Studiokomplex von Central TV in Nottingham. Das Publikum setzte sich aus Studenten und Rentnern zusammen. Diskussionspartner waren Michael Bentine, Ben Elton, John Lloyd (der Fernsehproduzent, nicht der Tennisspieler – auch nicht der Ex-Herausgeber), Hugh Lloyd, meine Wenigkeit, Barry Cryer und der Drehbuchautor Neil Shand. Thema des Abends waren die Komik und die Komiker.
Die Diskussionsleiter präsentierten die Angelegenheit als giftiges Wortgefecht, von dem erwartet wurde, daß die Vertreter der alten und der neuen Komödie sich polemisch zerfleischen würden. »Die Fronten sind gezogen für den Krieg der Komiker«, trompetete die Anmoderation zu unserem Erstaunen. Nicht genug, daß Ben Elton Liebe und Bewunderung für Eric Morecambe, Laurel und Hardy sowie Tommy Cooper bekundete, Barry Cryer mußte noch eins draufsetzen und Rik Mayall, Rowan Atkinson und Elton selbst mit Lob überschütten. Das Ganze war so kontrovers wie
Stars on Sunday
.
Wir kamen auf Slang zu sprechen. Pro und contra fanden ihre Fürsprecher, und dann wurde ich um einen Kommentar gebeten. Ich versuchte mich an die Lektüre des Protokolls jenes berühmten Prozesses (den ich gebührend zitierte) und an die Argumente zu erinnern, die Richard Hoggart bei der Verteidigung der Sprache von
Lady Chatterley
vorgebracht hatte. Wir verfügen über einfache und direkte Worte, die Körperfunktionen wie Essen und Schlafen beschreiben, so ungefähr lief die Beweisführung, aber sobald es um Fortpflanzung geht, gestatten wir uns entweder nur umständlich medizinische und lateinische Begriffe wie koitieren, kopulieren und Koitus, oder verlogen putzigeund paraphrasierende Euphemismen wie »Intimität«, »Liebe machen«, »fleischliche Gelüste« und den ganzen Schmonzes. Dasselbe gilt für unsere Unfähigkeit, ein einfaches Wort zu finden, das den Akt der Ausstoßung von Feststoffen durch unser Gesäß beschreibt: sich entleeren, Stuhlgang haben, sein großes Geschäft verrichten, defäkieren und ausscheiden schleichen gewissermaßen alle um den heißen Brei herum. Das Wort »scheißen« nicht. Dieses Drumherumreden und diese Keimfreiheit reden einem Schuldgefühl und peinlichen Berührtsein ob dieser Körperprozesse das Wort, die einfach nicht gesund sein können. Begegneten wir einer Kultur, die beim Atmen oder Gähnen ein Schamgefühl verspürte und darauf bestünde, von »inhalieren« respektive »Pandikulation« zu sprechen, käme uns das, glaube ich, merkwürdig vor. Ist es nicht noch viel merkwürdiger, daß wir Sex schmutzig finden und sprachlich desinfizieren wollen?
Wenn Fernsehen, Radio und Presse das Wort »fuck« als Selbstverständlichkeiten benutzten, also ausdrücklich
nicht
als Kraftausdruck oder als Fluch oder aus Frustration, sondern im eigentlichen Sinn, dann würde es mich keineswegs überraschen, wenn wir dadurch eine gesündere Nation würden. Wenn Lehrer im Biologieunterricht davon sprächen, wie Tiere ficken, und nicht vom Paarungsvorgang, wenn Anwälte und Richter in Rechtssachen »fuck« sagten, wenn es um Penetrationen geht, statt sich auf diese sonderbaren gerichtsmedizinischen Phrasen wie »Intimverkehr« und »Beischlafbeziehungen« zurückzuziehen, wenn Eltern es benutzen würden, um ihren Kindern die Fortpflanzung zu erklären, dann würde eine Generation aufwachsen, für die das Wort nicht mehr schuldbeladenen Schrecken und seltsam schmutzigen Reiz hat als das Wort »Omelette«. Wie würde die Statistik der Sexualdelikte darauf reagieren? Hätten wir Tabus über den Gebrauch des Wortes »töten«oder der Worte »verstümmeln« und »foltern«, wäre das vielleicht auch gesund: Grausamkeit und Mord sind Sachen, deren wir uns wirklich schämen
Weitere Kostenlose Bücher