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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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»Logo-Factory« oder ähnlich widerlich heißt, sich an den Intendanten von Radio 4 ranschmeißen und ihn davon überzeugen, daß er einen Weg kennt, wie man das »Image« des Senders aufmotzen könne, und bevor wir wissen, wie uns geschieht, hat der sich in eine Art
Network 7
des Äthers verwandelt. Etwas seiner eigenen Auffassung nach so Formloses wie der Home Service fällt in eine ganz und gar hausgemachte Kategorie, die man unter so unterschiedlichen Etiketten wie Altspießer, Jungspießer und institutionalisierter Langweiler kennt. Akzeptiert man diese Lüge, dann muß man auch die größere Lüge akzeptieren, der zufolge etwas dagegen unternommen werden müsse. Wenn Sie sich einreden lassen, die Silberpappel sei fade und »schlecht designt« (was immer diese überstrapazierte Phrase auch heißen mag), dannwerden Sie sich bald auch einreden lassen, es sei an der Zeit, sie golden einzusprayen.
    Du liebe Zeit, ich höre mich fürchterlich altmodisch an, nicht wahr? Aber ich
höre
mich natürlich nach gar nichts an, dies ist ein geschriebener Artikel, kein gesprochener. Also ist das gelogen. Ich habe mich hinter Wendungen und Wörtern versteckt, die Sie täuschen und umgarnen. Wenn Sie mich hören könnten, wüßten Sie ganz genau, was ich meine. Vielleicht sollte der ›Listener‹ sein Design erneut ändern. Als Kassette erscheinen. Ich sehe die Hülle vor mir. Das Wort »The« in ITC Bookman Bold oblique, das Wort »Listener« in einer Art Stack Helvetica mit Abrißkante. Könnte was hermachen, was meinst du, Marcus? Ich setz’ Cyprian und Zak darauf an und fax’ dir was rüber …

Mein Gott
     
    Ich hab’ nicht viel von einem Theologen, aber ich kann den heiligen Ignatius von Ian Paisley unterscheiden – die Loyolisten von den Loyalisten, könnte man sagen –, und den Unterschied zwischen einem Pelagianer und einem Gnostiker erkenne ich auf fünfzig Schritt. Gleichwohl verwirrt mich, muß ich gestehen, diese Sache mit der Kränkung. Wie jedermann dieser Tage spiele ich natürlich auf Martin Scorseses neuen Film an,
Die letzte Versuchung Christi
. Ich würde gern die Einwände gegen ihn ganz verstehen. Da ich kein Christ bin, mag man mir entgegnen, es gehe mich einen feuchten Kehricht an, die Doktrinen der Gläubigen zu verstehen oder gar zu kommentieren, aber ich halte es nicht für übertrieben pervers, zu fragen, warum die Gelegenheit mir verwehrt bleiben soll, den neuestenFilm eines der wichtigsten und zwanghaft moralischsten Regisseure der letzten zwanzig Jahre zu sehen.
    Ich glaube, ich übertreibe durchaus nicht, wenn ich Scorsese so beschreibe. Ich erinnere mich an ein Interview, das er Melvyn Bragg vor inzwischen einigen Jahren gegeben hat und in dessen Verlauf er gefragt wurde, worum es seiner Meinung nach in seinen Filmen hauptsächlich ginge. Er saß da, tief in einen Preview-Kinosessel versunken, blinzelte wie ein ängstlicher Priester, antwortete aber ohne Zögern, sie drehten sich um Sünde und Erlösung. Ich dachte an
Boxcar Bertha
, an
Mean Streets, Taxi Driver, Alice lebt hier nicht mehr, Raging Bull, The King of Comedy
, ein so beachtliches und seriöses Œuvre (wie wir Cineasten das nennen), wie ein Regisseur es nur beanspruchen kann, und ich verstand in etwa, worauf er hinauswollte. Was immer diese Filme sonst sein mögen, populistischer, kommerzieller Schrott sind sie nicht. Sie sind das Beste an »ernsthaftem Kino«, was Hollywood im Moment hervorbringt.
    Was die Leute aufregt, die wie ich den Film nicht gesehen haben, sondern nur vom Hörensagen kennen, ist eine Szene, in der Christus anscheinend eine Art erotische Phantasie hat. Soweit ich verstanden habe, ist es nicht Absicht des Films, sich über sein Leiden lustig zu machen, ihn zu verspotten, seine Leistungen herunterzuspielen oder ihn als irgend etwas anderes darzustellen als den leibhaftigen Sohn Gottes, der er für praktizierende Christen ist. Der Film tut das, was Kunst am besten kann: Er zeigt uns einen Menschen, wie Shakespeare uns Antonius und Kleopatra zeigte, der ebenfalls der menschlichen Wahrheit mehr Bedeutung zumaß als der historischen.
    Im Fall Jesu Christi paßt das besonders gut, da sein Triumph auf Erden, wenn ich recht verstehe, auf der Tatsache beruht, daß er ein echter Mensch war. Gott, so lautet die These, schwor seiner Göttlichkeit ab und wurde zuhundert Prozent sterblich. Also nahm er Nahrung zu sich, weinte, litt, schlief, ging auf die Toilette und empfing auch sonst die tausend Stöße, die unseres

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