Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
unterbelichtet ins Bild käme oder gar böse, fett, schmutzig, unterernährt, rotäugig, cholerisch oder in irgendeiner anderen trügerischen Verfassung, die schlechte Beleuchtung herbeiführen kann. In einem Fernsehstudio, wo Spezialscheinwerfer in Null Komma nichts eingestellt werden können, ist es vergleichsweise kinderleicht, ein Interview auszuleuchten. Thatcher ist jedoch Premierministerin, ihre Zeit ist, darf man annehmen, verhältnismäßig kostbar. Was Fernsehinterviews anbelangt, ist der Berg normalerweise bereit, zum Propheten zu kommen. In der Downing Street jedoch hängen die Zehnkilowattlampen nicht gerade in großer Stückzahl von der Decke. Daher die überdurchschnittlich großen Teams. Anscheinend sah sich die Premierministerin jedoch zumindest bei diesem Anlaß außerstande, das nachzuvollziehen. Das einzige, was sie sah, war die Gelegenheit, eine giftige Bemerkung zum Thema Personal überhaupt loszuwerden, womit sie etliche Leute vergrätzte, die aufgeregt waren, sie zu sehen, und bestrebt, so wenig von ihrer Zeit zu beanspruchen wie möglich.
Ich will dieses Ereignis nicht überbewerten, wir haben alle mal unsere schlechten Tage, meckernde, boshafte Tage, und ich will nicht behaupten, diese Begebenheit beweise ein für allemal, daß die Frau eine kreischende Medusa ist, aber was generell die Frage der Personalstärke angeht, so scheinen mir jene, die ständig die Phrase »Personalüberhang« im Munde führen, das Geld den Menschen vorzuziehen. Ein chinesisches Restaurant mit vierzig Kellnern ärgert uns nicht – der Gewinn sinkt, aber sie schlagen sichdurch, sie versorgen ihre Familie und bedienen den Gast um so schneller. Aber wenn es um öffentliche Dienstleistungen geht, genügt es nicht, »sich durchzuschlagen«, und wird es undenkbar, auf Kosten niedrigerer Gewinne unsere Familie im weiteren Sinn zu versorgen. Und so bleiben wir stark beansprucht, überarbeitet und – sozial – unterbelichtet.
Sockenzorn
Ich bin wütend. Ich bin richtig wütend. Ich bin so wütend, daß ich kaum auf die Toilette gehen kann. Ich schäume. Ich glaube nicht, daß ich jemals so sauer gewesen bin. Wenn Sie mir kochende Marmelade über den Rücken kippen, meine Hose anzünden, auf dem Rücksitz meines Wagens ihr Geschäft verrichten und mich zwingen würden, ohne zu zwinkern, die Karikatur von mir anzustarren, die neben diesem Artikel steht, könnte ich nicht zorniger sein. Fuchsteufelswild bringt es ungefähr auf den Punkt. Der Grund meines unbeherrschbaren Zorns ist schnell erzählt. Ich habe meine Socke verloren. Die, die ich heute morgen anziehen wollte. Einsam schmachtet sein Zwilling auf dem Boden meines Schlafzimmers, der unerhörten Dreistigkeit seines launischen Bruders wegen des ehrfurchtgebietenden Privilegs beraubt, meinen rechten Fuß zu umhüllen. Ich mußte mir ein anderes Paar holen. Als ich dann noch Kaffeebohnen über den ganzen Küchenboden verschüttete, schlug das dem Faß der elenden Sache den Boden aus. Im Verein haben diese beiden entsetzlichen Katastrophen meinen Blutdruck so hochgetrieben, daß ich Gefahr laufe, heftiges Nasenbluten zu bekommen.
Nun bin ich sofort bereit zuzugeben, daß an diesen beiden Vorfällen, betrachtet man sie im kalten, klaren Lichtder Logik, nichts ist, was einem den Magen umdrehen müßte. Ich möchte wetten, in ein oder zwei Tagen habe ich die ganze Sache vergessen. Okay, in einer Woche. Am wütendsten bin ich auf die
Tatsache
, daß zwei so belanglose, um nicht zu sagen triviale Probleme mich so erzürnen, wo ich im allgemeinen doch ein Leben führe, das mir wenig Grund zum Stänkern gibt. Sehen Sie, ein Mensch hat nur eine beschränkte Menge Galle zur Verfügung, und ich fürchte, daß ich niemals, nie wieder in meinem ganzen Leben wütender sein werde als vor einer Viertelstunde, wo ich mein Zimmer auf der Suche nach dieser verdammten, hirnrissigen, gottverlassenen, verfluchten Socke auf den Kopf gestellt habe, die sich, während ich dies schreibe, hinter der Täfelung oder wo immer das blöde Stück sich versteckt haben mag, wahrscheinlich kranklacht. Und es hat keinen Sinn. Mit welchen merkwürdigen moralischen, ethischen oder evolutionären Absichten Zorn auch ersonnen worden sein mag, wegen abtrünniger Fußbekleidung durchzudrehen, ist kaum im oberen Bereich der Liste zu erwarten. Trotzdem könnte ich schwören, würden Sie mir ein Zornometer oder einen Sauerkeitssensor ans Gehirn anschließen, dann würde die Nadel mit dem Tempo eines
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