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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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würde das Leben schnell unerträglich öde werden.
    Als wir es uns in der behaglichen Wärme der Baker Street 221B bequem gemacht hatten, griff Holmes sich ein Buch vom Regal und überließ es Culliford Bosney und mir, die festliche Ausschmückung der Zimmer zu vervollständigen, während er las. Plötzlich schloß Holmes lachend das Buch.
    »Nun, Watson, vielleicht wird sich dies am Ende noch als ein Fall für Ihre Memoiren herausstellen. Höchst bemerkenswert. Ich hätte es natürlich wissen müssen.«
    »Was hätten Sie wissen müssen, Holmes?« riefen wir gereizt.
    »Mr Culliford Bosney, wir kamen doch vorhin darin überein«, sagte Sherlock Holmes mit einem selten bei ihm zu beobachtenden Augenzwinkern, »daß einfach alles in dieser großen Stadt auf überraschende Weisen miteinander verwoben ist. Beobachter des Lebens wie wir müssen uns wie Spinnen in den Mittelpunkt des großen Netzes begeben und uns dazu heranbilden, jedes Zucken der Altweibersommerfäden,jedes Zittern der Fasern zu interpretieren. Sobald Sie erwähnt hatten, daß Sie neben Medizinstudenten wohnen, nahm ich von einem ebensolchen Beben des Gewebes Notiz. Vielleicht bedeutete es etwas, vielleicht nichts, aber in jedem Fall registrierte ich es. Watson erinnert sich vielleicht, wie ich bemerkte, das einzige denkwürdige Verbrechen, das London uns heute anzubieten habe, sei die Entfernung einer Statue am Charing Cross. Ihnen ist vielleicht bekannt, Mr Bosney, daß Medizinstudenten die Angewohnheit haben, einander Streiche zu spielen. Die Rivalität zwischen den Studenten der beiden großen Krankenhäuser von Charing Cross und Guy’s ist Legende.«
    »Natürlich, das stimmt«, rief ich, »ich erinnere mich, daß wir zu meiner Zeit –«
    »Genau«, sagte Holmes, den jede Unterbrechung ungeduldig machte. »Im Kopf hatte ich den Diebstahl der Statue daher bereits als eine Begebenheit eines solchen festlichen Allotria eingeordnet. Ihre Erwähnung von Medizinstudenten, Mr Bosney, obwohl denkbar nebensächlich, bereitete mich auf eine Verbindung vor. Sobald ich den Schauplatz Ihrer Begegnung mit der Geisterkutsche betrat, waren mir die eigentlichen Tatsachen der Angelegenheit klar. Für ein geübtes Auge waren die Spuren auf dem Pflaster leicht genug zu interpretieren. Ich sah sofort, daß die Droschke vor dem Haus der
Studenten
gewartet hat, Mr Bosney, nicht vor Ihrem. Die Zeichen der Bewegung und Rastlosigkeit seitens des Pferdes bedeuteten mir überdies, daß kein professioneller Londoner Kutscher die Zügel geführt hatte. Der Fahrer hat das Pferd kaum stillhalten können, während die Statue in die Droschke geladen wurde.«
    »Eine Statue!« Culliford Bosney schlug die Hände zusammen. »Natürlich! Der schauderhaft starre Blick und die gespenstische Blässe!«
    »Sie waren ein hervorragender Zeuge, Mr Bosney, aber Sie vermochten Ihre eigenen Beobachtungen nicht zu deuten. Ihre Sinne hatten Ihnen bereits vermeldet, daß Sie etwas Unmenschliches erblickten, aber Sie weigerten sich, den logischen Schluß zu ziehen.«
    »Gespenster gingen mir im Kopf herum, Mr Holmes. Ich hatte schließlich soeben eine Erzählung vollendet und weilte vielleicht noch in der Welt der Phantasie. Aber was geschah mit dem Manuskript?«
    »Ich habe, wie Sie gesehen haben, bei den Studenten geläutet. Sie waren äußerst mitteilsam. Sie enthüllten mir, daß für den Zweck ihres Schabernacks einer von ihnen auf Dauer eines Tages einen Hansom gemietet und den Kutscher bestochen hatte fernzubleiben. Er stahl die Statue und brachte sie direkt in Ihre Straße, Mr Bosney. Hier kamen die anderen Studenten heraus und kleideten sie an. Die Anordnung der Fußspuren draußen hatte mir bereits nahegelegt, daß irgend etwas dieser Art stattgefunden haben mußte. Danach gingen die Studenten wieder ins Haus, ließen die Droschke in der Obhut ihres Rädelsführers und verkleideten sich als Bauarbeiter. Ihre verrückte Absicht war, Temple Bar zu erklimmen und die Statue in eine ins Auge fallende Lage zu bringen, von der aus sie den Verkehr überblickt hätte. Der junge Gentleman, der die Rolle des Kutschers übernommen hatte, berichtete mir, wie Sie an ihn herantraten, während seine Freunde noch im Haus waren. Sie haben ihn so überrascht, als Sie ihn ansprachen, daß es ihm nicht in den Sinn kam, sich als besetzt auszugeben.«
    »Der junge Halunke!« rief Culliford Bosney aus.
    »Er ist höchst zerknirscht, kann ich Ihnen versichern«, sagte Holmes. »Ich glaube ohne

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