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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Selbstgefälligkeit sagen zu dürfen, daß er unangenehm überrascht war, Sherlock Holmes auf seiner Spur zu finden.«
    »Ein Hammer zum Nüsseknacken, gewiß … aber das Manuskript, Mr Holmes?«
    »Ach ja, das Manuskript! Ihr Kutscher hat den Moment, als Sie vor Erstaunen von der Kutsche zurückwichen, genutzt, um einen erfolgreichen Fluchtversuch zu unternehmen. Es gelang ihm, die Statue ins Charing-Cross-Hospital selbst einzuschmuggeln und in ein Bett zu legen, wo sie seines Wissens noch liegt. Den Hansom brachte er zu der Droschkenfirma zurück, bei der er ihn gemietet hatte, und erreichte das Haus nebenan kaum eine halbe Stunde, bevor wir die Szene betraten. Er hat die vage Erinnerung, hinten in der Droschke ein Papierbündel gesehen zu haben, hat dem aber keine Beachtung gezollt. Nachdem ich ihm klargemacht hatte, der Verlust des Manuskripts würde zur Folge haben, daß die Geschichte seiner Abenteuer dem Dekan seines Krankenhauses zu Ohren komme, eilte er aus dem Haus, um es zurückzuerlangen. Ich glaube, ich höre soeben seine Schritte auf der Treppe.«
    Just in diesem Moment öffnete sich die Tür und ließ einen erhitzten jungen Mann ein, der einen dicken Stoß Papiere trug.
    »Mein Manuskript!« rief Mr Bosney und sprang auf.
    »Erlauben Sie mir, Ihnen Mr Jasper Corrigan vorzustellen«, sagte Holmes. »Das hier ist mein guter Freund Dr Watson, und dieser Gentleman, dessen Manuskript Sie gefunden zu haben scheinen, ist Ihr Nachbar, der Romancier.«
    »Nun, Sir, ich glaube, ich muß Sie um Vergebung bitten«, sagte der Medizinstudent und streckte seine Hand aus. »Ich bin mir sicher, Mr Holmes hat Ihnen alles erzählt. Glauben Sie mir, ich hatte nicht die geringste Absicht, Ihnen derart mitzuspielen.«
    »Mein lieber Freund«, sagte Mr Bosney und schüttelte ihm herzlich die Hand, »denken Sie nicht mehr daran! Wenn das Manuskript vollständig ist … lassen Sie mich sehen …«Er nahm das Papierbündel und untersuchte es eifrig. »Ja, es ist alles da. Ich werde es sofort in die Druckerei bringen. Ob sie so spät abends noch offen haben? Aber es gibt einen Nachtportier. Ja, jetzt sofort! Mr Corrigan, ich hoffe, Sie beehren mich morgen abend mitsamt Ihren Freunden. Wir wollen ein Fest feiern! Jawohl, mit Maronen und Spielen und allem möglichen Spaß. Man sollte seine Nachbarn kennen. Es ist eine Schande, daß ich Sie nicht früher eingeladen habe. Und türkischer Honig und heißer Punsch! Bitte sagen Sie zu.«
    »Sir, es ist uns eine Ehre. Wir … ich habe diese Großzügigkeit nicht verdient.«
    »Nichts da! Haben wir nicht Weihnachten? Was Sie betrifft, Mr Holmes, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll … diese Brillanz, diese –«
    »Wirklich, Mr Bosney, Sie sind zu gütig«, sagte Holmes und lächelte ein wenig ob des Redeschwalls des Autors. »Ich bin glücklich, daß Ihre Geschichte gerettet worden ist, aber ich glaube, wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie sehen, daß es kein großes Problem war. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß es sich auch ohne meine Unterstützung gelöst hätte.«
    »Das kann ich unmöglich stehenlassen«, erwiderte Mr Bosney, »ich bestehe darauf, daß Sie mir Ihr Honorar nennen.«
    »Was das angeht«, sagte Holmes, »so
werde
ich Sie um ein Honorar bitten.«
    »Nennen Sie es, Mr Holmes, nennen Sie es!«
    »Ich besäße gern Ihr Manuskript. Wenn es aus der Druckerei zurückkommt, könnten Sie es mir dann wohl zuschicken?«
    Mr Bosney blinzelte leicht. »Wirklich, Mr Holmes, Sie erweisen mir eine große Ehre. Sie sagten doch, Sie hätten keine Zeit für Literatur.«
    »Für manche Literatur habe ich alle Zeit der Welt, Mr Bosney, und ich habe den Eindruck, Ihre Geschichte wird mir gefallen. Ich glaube, Sie sind es, der mir Ehre erweist.«
    »Reichen Sie mir die Hand, Sir!« sagte der andere. »Sie sind ein bemerkenswerter Mann. Ein bemerkenswerter Mann.«
     
***
     
    Mr Bosney hielt Wort, und eine Woche später ging das Manuskript mit der Post ein. Holmes ergriff es unverzüglich und war die nächsten zwei Stunden mit seiner Lektüre beschäftigt. Als er es beendet hatte, sah er auf, und ich merkte, daß er Tränen in den Augen hatte.
    »Wirklich, Watson«, sagte er endlich. »Können wir nicht noch etwas Ilex in die Wohnung hängen? Es ist schließlich Weihnachten.«
    »Aber Holmes!« rief ich ungläubig.
    »Lesen Sie, Watson!« sagte er und reichte mir das Manuskript. »Lesen Sie nur.«
    Ich nahm es ihm ab und sah auf die Titelseite. »Aber … aber …

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