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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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ganze Gesicht, das hinter der dicken
Schminke versteckt erschreckend jung und naiv wirkte. »Hast was da zum Puffn?«
    »Sicher.«
    »Darf ich, wenn ich schon nix zum Trinken krieg?«
    »Sag mir erst, warum du da bist, dann schaun wir weiter, aber ich
weiß keinen Grund, der dagegen spricht.«
    Vielleicht würde sie ja unter THC ein wenig klarer und direkter.
Aber wahrscheinlich würde, wie gewöhnlich, alles nur noch viel schlimmer.
    »Weil der Berti mich gschlagen hat.«
    Zu dem mittlerweile schon sehr verblassten blauen Auge waren keine
weiteren Anzeichen für Gewalt hinzugekommen, zumindest keine, die ich sehen
konnte.
    »Und warum stört dich das plötzlich? Ist ja nicht das erste Mal,
dass er dich geschlagen hat.«
    »Eh schon, früher hat er mir eine gschmiert, wenn er fett war oder
wenn er mich mit einem anderen erwischt hat oder so. Mit der flachen Hand.«
    Sie holte Luft und zündete sich eine neue Marlboro an.
    »Aber jetzt, da macht er’s anders, und das will ich nicht. Ich geh
auch nicht mehr zu ihm zrück.«
    »Ich weiß jetzt nicht, wie ich dir da helfen soll. Du solltest zur
Polizei gehen, am besten gleich, solange die Gewaltspuren noch gut sichtbar
sind. Sind sie doch noch, oder?«
    »Eh, sicher.« Sie legte die Zigarette in den Aschenbecher und hob
ihr T-Shirt. Dort, wo die enge Hose auf ihren Hüften saß, waren dunkle Flecke,
zwei an der Zahl.
    »Das macht er mit seine Tschik. Ich hab noch mehr davon.«
    »Dann solltest du bei der Polizei Anzeige erstatten. Ums Eck ist
eine Wache, vielleicht 50 Meter entfernt, du könntest gleich gehen.«
    »Ich geh net zur Kiberei.«
    Sie klang trotzig. Allzu lange konnte es nicht her sein, dass sie
in demselben Tonfall noch verweigert haben mochte, Spinat zu essen.
Andererseits fiel es schwer, so ein biederes Familienidyll für das Mädchen zu
imaginieren.
    »Warum, da passiert dir doch nichts. Oder schämst du dich?«
    »Na, aber ich geh net hin.«
    »Na, da kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Warum bist du
eigentlich zu mir gekommen und nicht zu jemand anderem gegangen?« Als ich den
Satz ausgesprochen hatte, war mir bereits klar, dass es ein Fehler gewesen war.
    »Weil du mir doch die Karte gegeben hast.«
    Ich nahm einen Schluck Tee, das beruhigt ungemein. »Du musst doch
noch andere Leute kennen, zu denen du gehen hättest können. Warum ausgerechnet
zu mir?«
    »Eh kenn ich andere auch, aber die kennen alle den Berti, der
wüsst, wo er mich suchen müsst. Warum interessiert dich des so?«
    »Weil mir momentan jede Menge seltsamer Dinge passieren. Da wird
man mit der Zeit ein bisschen misstrauisch. Was willst du von mir, was soll ich
für dich tun? Wenn du nicht zur Polizei gehen willst.«
    »Ich werd schon was Eigenes finden, aber ein paar Tage, könnt ich
nicht bei dir bleiben?« Sie sah mich bittend an, von unten herauf, mit großen
Augen. Sogar Dschingis Khan wäre gerührt gewesen.
    »So, und jetzt bau ich dir einen schönen, der wird dich wieder auf
die Füße bringen.«
    Sie griff flink nach den Utensilien und ging ans Werk, während ich
mir versuchte klarzumachen, dass mich ein Joint in meinem Zustand nicht auf die
Füße, sondern ins Grab bringen würde. Es war harte Arbeit, mich selbst zu
überzeugen, als mein Handy ging. Ich schaute auf das Display. Es war
Meyerhöffers Nummer. Ich nahm ab. Bevor ich noch losschimpfen konnte, dass ich
vorhin klipp und klar alle weiteren Anrufe untersagt hatte, merkte ich, dass
eine andere Person in der Leitung war. Eine heisere Altherrenstimme, die von
Jahrzehnten der Benutzung glattgeschliffen worden war, sprach zu mir.
    »Herr Linder, es tut mir leid, dass ich Sie störe. Aber ich denke,
es wäre gut für Sie, wenn wir beide uns treffen würden, um eine gepflegte
Unterhaltung zu führen.«
    Ich stand auf und ging ein paar Schritte durch den Raum in die
Küche. Meine Trashqueen, deren Namen ich gar nicht kannte, musste nicht alles
mithören.
    »Wenn Sie mir zuerst verraten würden, wer Sie sind? Dann sehen wir
weiter.« Ein heiseres Kichern drang leise an mein Ohr.
    »Sie sind aber scharf!« Es klang reichlich spöttisch in meinen
Ohren. »Geben Sie mal einen Tipp ab, wer ich denn sein könnte.«
    »Unrath, Partner von Meyerhöffer. Genug geraten. Um was geht’s?«
    »Kommen Sie zu mir in die Kanzlei, dort sind wir ungestört und
können reden.«
    So wie ich mich fühlte, war das Letzte, was
ich wollte, abends durchs kaltnasse Wien zu kutschieren und das Mädchen

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