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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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nicht genau einordnen. Dann kam die
Erleuchtung. Vor mir stand die Trashqueen aus dem Computerladen.
    Sie beugte sich vor und beäugte mich kritisch.
Irgendwas sagte sie, aber so ganz drang es nicht bis zu mir durch. Was
allerdings durchdrang, bis ins Kleinhirn, waren ihre sekundären
Geschlechtsmerkmale unter dem dünnen, kanariengelben Shirt mit dem tiefen
Dekolleté. Ganz sicher, ob ich vielleicht nicht doch halluzinierte, war ich mir
nicht. Trotzdem sprach ich sie an. »Wie sind Sie eigentlich hereingekommen?«
    »Die Tür is offn.«
    »Und was wollen Sie von mir?«
    »Na ja, du hast mir ja deine Karte gebm. Wenn was wär.«
    »Haben Sie die Türe hinter sich geschlossen, als Sie reinkamen?«
    »Sicher, meinen S’, wir ham Palatschinken daheim?«
    Ich musste sie verständnislos angestarrt haben, denn erläuternd
fügte sie hinzu: »Zum Durchfressen statt Zumachen?«
    »Also die Tür ist zu?«
    »Eh.«
    »Das ist gut. Haben Sie auch abgeschlossen?«
    »Na. Is ja net meine.«
    Um ein Haar hätte ich die Frage gestellt: Tür
oder Palatschinken? Aber ich ließ es bleiben. Denn mir war aufgefallen, dass
sie Jeans trug, die künstlich gebleicht waren, sodass manche Stellen
dunkelblau, andere verwaschen weiß waren. Verhängnisvollerweise entstand so der
Eindruck, als ob sie es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette geschafft
hätte. Beim Versuch, die Hose in einen ästhetischen Zusammenhang mit ihrem
Shirt, den grellen Farben ihres Make-ups und dem herumbaumelnden Modeschmuck zu
bringen, gab ich auf.
    Ich atmete tief ein, stand auf, suchte den Schlüssel und schloss
die Wohnungstür ab.
    »Bist paranoid oder ist dir sonst nicht gut, dasst a so einen Tick
wegen deiner Tür hast?«
    »Es sind heute schon so viele Leute durch diese Tür gekommen, und
wenn die Welt untergeht: Heute lass ich niemand mehr rein.« Mit diesen Worten
hatte ich mich zurück in meinen Sessel gequält.
    »Also, warum sind Sie hier?«
    »Lass des Siezen sein, sag du.«
    »Ok. Warum bist du da?«
    »Wegen deiner Karte und dem, was du gsagt hast.«
    »Ihr habt also irgendwelche Probleme?«
    »Na, eigentlich ned, oder doch, vielleicht eh …« Dem war ich
momentan nicht gewachsen. »Tief durchschnaufen, alles der Reihe nach. Aber
zuerst muss ich mir einen Tee machen. Willst du auch was?«
    Beim Wort Tee war sie förmlich zusammengezuckt.
    »Ja, hast ein Bier für mich?«
    »Nein.«
    »Was hast denn sonst zum Trinken da?«
    »Tee, Kaffee, Wasser.«
    »Nein, ich mein Wein oder so?«
    »Hm, einen Schnaps kannst haben. Absinth oder Whisky.«
    »Dann nix.«
    Mittlerweile hatte ich Wasser aufgesetzt, die Kanne ausgewaschen,
das Sieb gesäubert und aus meiner Büchse neuen Tee hineingegeben. Drei mal zwei
Finger voll. Das frische Teeblatt des Senchas war dunkelgrün und duftete leicht
nach Heu. Wenn man es zwischen den Fingern rieb, entstand der Eindruck einer
subtilen Öligkeit. Heißen Tee, literweise, das war jetzt genau das Richtige für
mich.
    »Sag, bist krank, dass’d Tee trinkst?«
    »Ja, leicht verkühlt. Aber ich trinke auch sonst Tee, wenn ich
gesund bin.«
    So wie sie mich anblickte, war mir klar, dass sie einen gesunden
Teetrinker für eine contradictio in adjecto hielt. Wer Tee trank, musste krank
sein, so oder so.
    »Ah.« Eine langgezogene Silbe nur. Daraufhin ein kurzes Zögern,
dem die Feststellung »Schaust eh oarg aosch aus« folgte. Da fiel aber sogar ihr
auf, dass das eine Spur zu viel sein könnte. Also relativierte sie mit: »So als
a Kranker, mein ich.«
    »Schon gut.« Inzwischen kochte das Wasser, ich goss ein und nahm
die Kanne, um zurück zu meinem Sessel zu gehen. Sie folgte mir. Als ich mich
von den Strapazen so weit erholt hatte, dass ich wieder die Augen öffnen
konnte, saß das Mädchen mit untergeschlagenen Beinen auf meiner Couch und
rauchte eine Marlboro. Das Packerl lag vor ihr auf dem Tisch. »Is eh oke, wenn
ich tschik?«
    »Sicher, aber ich hab auch einen Aschenbecher, du musst nicht auf
den Tisch aschen.«
    »Ich hab glaubt, weil da eh schon so viele Stummel rumliegen, is
des bei dir so.«
    Ich stellte den Aschenbecher auf den Tisch. »Das war nur der
Besuch vor dir, unangenehme Menschen. Aber egal, warum bist du da, und sag
jetzt nicht wieder, wegen meiner Karte.«
    Sie starrte in den Aschenbecher. Meine Frage hatte sie anscheinend
überhört.
    »Drum.« Sie hielt einen Jointstummel hoch. »Darum hast nichts zum
Trinken da, du bist ein Kiffer.«
    Sie strahlte über das

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