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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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tranken Wein und aßen
Krautfleckerln.
    Reichi drehte sich wieder zu mir um und wir grinsten uns mit
Verschwörermiene zu.
    »Das war alles?«, stieg Reichi wieder auf das ursprüngliche Thema
um.
    »Eigentlich schon. Kannst du auch ein iPhone knacken? Ich will
dabei aber nicht geortet werden.«
    »Was treibst du, Arno? Lebst du jetzt vom Elektronikklau? Hab dir
immer gesagt, mit Altgriechisch wirst du noch verhungern.«
    »Nein, ist nicht geklaut, niemand wird Anzeige erstatten. Also was
ist, kannst du’s?«
    »Nein, aber ich kann dir eine Adresse geben, Türken-
Handyladen, eigentlich ist der Besitzer Ägypter, der macht so was. Ist eh bei
dir um die Ecke. Märzstraße im 15ten.«
    »Der neben der Straßenbahnhaltestelle beim Kent?«
    »Genau der.«
    Jetzt war es an mir, Mr. Burns die Ehre zu geben: »Ausgezeichnet.«
    »Du solltest aber etwas Geld mitnehmen, der macht das nicht
umsonst.« Ich nickte zuversichtlich.
    »Du bist wieder pleite, stimmt’s?«
    »Na ja, pleite ist relativ. Der Sudan kommt auch irgendwie über
die Runden.«
    »Wann hast du das letzte Mal gegessen?«
    »Vor einer Stunde, zwei Croissants.«
    In diesem Moment brachte der Ober Bier, Kaffee mit Wasserglas und
ein kleines Herrengulasch.
    »Na, Sie haben S’ doch noch derwartet«, ließ sich der Ober hören.
    »Knapp«, meinte Reichi, »und bringen S’ dem Herrn auch ein
Gulasch.«
    »An klein Herrn?«
    »Genau.«
    »Wird aber dauern, ist viel los heut.«
    Den Rest der Unterhaltung vergaß ich, denn der rote Gulaschsaft
mit glänzendem Spiegel, auf dem ein gebratenes Ei lag, garniert mit einer
Frankfurter und einer fächrig geschnittenen Gewürzgurke, ließ mir das Wasser im
Munde zusammenlaufen.
     

V
    Gut
gesättigt saß ich hinter dem Schreibtisch in dem kleinen Kabuff, das ich mein
Büro schimpfte. Die Architektur der Universität Wien, die nach den
Vorstellungen des Kaisers Franz Joseph erbaut wurde, legt viel Wert auf
grandiose Fassaden und schmuckvolle Repräsentationsräume. Alleine die beiden
Haupttreppen nehmen mehr Platz ein als ein mittleres Einfamilienhaus. Darunter
leiden aber notwendigerweise die Räume, in denen sich akademische Arbeit und
Leben abspielen. Mein Raum war eben nur der schäbigste und kleinste im ganzen
Gebäude.
    Vollgeräumt mit Akten von längst vergessenen Konferenzen und
Tagungen, sodass gerade noch ein Schreibtisch hineingezwängt werden konnte.
Mein Samowar stand auf einem Stapel Zeugnisunterlagen aus den frühen 70ern.
Alles in allem war mein Kabuff ganz Staub und Verwesung. Zwei mumifizierte
Topfpflanzen, deren Artbestimmung sich nicht einmal ein Botaniker zugetraut
hätte, vervollkommneten den vorherrschenden Charakter der Hoffnungslosigkeit.
    Ich hatte gerade meine Lehrverpflichtung
hinter mich gebracht und nun lag auf meiner Schreibtischunterlage die
Max-Niemeyer-Ausgabe von Heideggers ›Sein und Zeit‹. Irgendein wohlmeinender
Zeitgenosse hatte sie mir einmal geschenkt. Die stümperhaften Etymologien des
Freizeitphilologen hatten mich aber nur angewidert und sachlich war bei ihm
nichts gesagt, was sich nicht besser auch bei Kant gefunden hätte. Neben dem
Buch lagen ein paar Blätter braunes Packpapier und mein Schweizer Messer.
Sorgfältig schnitt ich den Schriftsatz der inneren Blätter heraus, sodass ein
Hohlraum entstand. Die entfernten Papierreste ließ ich in den Papierkorb
fallen. Nachher würde ich sie mitnehmen und entsorgen. Als ich nach etwa zehn
Minuten mit der Arbeit fertig war, nahm ich meine Aktentasche auf den Tisch,
holte den Revolver heraus und legte ihn in das nun hohle Buch. Ein bisschen
Watte dazu, damit die Waffe weniger Spiel hatte, dann klebte ich die inneren
Seiten so zusammen, dass sich beim flüchtigen Prüfen dem Blick nur die
vollständigen Seiten zeigen würden. Einer genauen Inspektion würde das niemals
Stand halten, aber vorerst war es gut genug. Ich ließ die Parafernalien meiner
Arbeit gerade verschwinden und wollte das Buch in das braune Packpapier
einschlagen, als es an der Tür klopfte.
    Ich setzte mein freundliches Gesicht auf und
ließ hereinbitten, doch es handelte sich nicht um Studenten. Ein Paar, das
aussah wie der Fuchs und die Katze aus der Pinocchio-Zeichentrickserie, trat
ein. Der eine war lang und hager, mit rotem Haupthaar und einem flauschigen
roten Backenbart, der sich in Verbindung mit seiner spitzen Nase wie ein
Fuchsgesicht ausnahm. Hinter ihm kam sein Kompagnon herein. Kleiner,
fettgepolstert

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