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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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die
Zigarettenstummel am Boden. »Wischen Sie denn nie den Boden auf?« Die beiden
schüttelten angewidert die Köpfe.
    »Sie sagten, Sie kennen niemanden aus Ihrem Haus.«
    »Naja, die Hausbesorgerin, aber die spricht nur Polnisch, das
Mädchen aus dem Erdgeschoss, mit den schönen Brüsten, aber nur vom Sehen …«
    »Und Michael Ried?«
    »Sie meinen Mike, der im zweiten Stock wohnt?«
    »Ja, den Sozialhilfeempfänger mit dem auffälligen amerikanischen
Wagen.«
    »Kenn ich, mehr vom Sehen nur.«
    »Wir haben eine Meldung bekommen, von der Polizeistation in Penzing,
eine gute alte Bekannte hat dort wegen öffentlicher Ruhestörung angerufen, was
sie des Öfteren tut. Nur diesmal ging es um einen schwarzen Pontiac. Den von
Herrn Ried. So viele fahren davon nämlich nicht mehr in Wien herum.«
    »Und nur einer hat einen riesigen Adler auf die Motorhaube
gemalt.«
    »Haben Sie uns dazu etwas zu sagen?«
    Ich schwieg eisern.
    »Die Dame hat von zwei Männern im Wagen gesprochen. Alte Damen,
die nicht mehr viel zu tun haben, sind oft sehr gute Beobachter. Der Beifahrer,
das könnten Sie gewesen sein.«
    »Kurze, schwarze Haare, Anzug, Kinnbart. Um die 30. Das trifft Sie
gut.«
    »Wie eine viertel Million andere Wiener auch«, entgegnete ich
trocken.
    »Es ist halt schon wieder so ein Zufall, dass Sie zufällig mit dem
anderen Hauptverdächtigen eine kleine Unterredung haben.«
    »Man gerät ja nicht jeden Tag in eine Morduntersuchung hinein, da
spricht man schon mal darüber, auch mit Leuten, die man sonst nicht so gut
kennt.«
    »Herr Ried hat ausgesagt, dass er Sie schon seit ungefähr zehn
Jahren kennt. Er will Ihnen auch Ihre derzeitige Wohnung vermittelt haben.« Da
hatte mich Mike ganz schön aufs Glatteis geführt.
    »Sollten wir auf noch eine Ungereimtheit in Ihren Aussagen kommen,
halten wir einen Durchsuchungsbefehl in der Hand.« Die Katze dämpfte ihren
Glimmstängel wieder auf meiner Schreibtischunterlage aus. Langsam fragte ich
mich, ob es die ungastliche Atmosphäre war, die meine Besucher veranlasste,
sich aufzuführen, als ob sie sich in einer versifften Bahnhofstoilette
befänden.
    »Eigentlich sind wir nur gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie
Wien bis auf Weiteres nicht mehr verlassen und sich zu unserer Verfügung halten
sollten.«
    »Jede Zuwiderhandlung legen wir als Fluchtgefahr aus.«
    »Das bedeutet dann Untersuchungshaft für Sie.«
    »Ob Sie schuldig sind oder nicht.«
    »Da sitzt man durchaus mal ein halbes Jahr, bevor der Prozess
überhaupt beginnt.«
    »Sie sollten sich also Ihre nächsten Schritte gut überlegen.«
    Die beiden standen auf und gingen hinaus. Ich blieb allein zurück,
schenkte mir einen Tee aus dem Samowar ein, und legte eine Fachzeitschrift,
Block und Schreibzeug auf meinen Tisch, um Arbeit heucheln zu können. Dann
holte ich das iPhone raus.
    Zuerst aber nahm ich mir mein eigenes Handy vor, durchsuchte mein
elektronisches Telefonbuch und wählte mit meinem Institutsfestnetz eine Nummer.
    »Fred hier, wer dürt?«
    »Arno. Sag mal, Fred, gestern der Koksyuppie mit der Frau, der du
zugenickt hast. Sag, kennst du die?«
    »Sicher. Hat di hemgführt, hm?«
    »Na ja, nicht ganz, drum frag ich ja. Hast du ihre Nummer oder
Adresse oder sonst was?«
    »Isch was schiefglofä mit ihrä?«
    »Ja. Sie hat mich aus dem Wagen geworfen.«
    »Triebkontrolle untrschiedat dr Mensch vom Tier. Söttescht di
entschuldiga. Isch ganz ä Bsundrigä.«
    »Ganz so war’s nicht, aber mit dem Entschuldigen hast du schon
recht. Also, wer ist sie, wie kann ich sie erreichen?«
    »Laura Lignamente, s’isch an Anwältin vo üs. Tellifonnummer han i
jetzi koine, abr d’Adress. Hasch eppas zum Schrieba zr Hand?«
    »Jep.«
    »Sie schaffat Bäckerstraß 17, gegadübr vom Alt Wien. Kanzlei
Bendit-Kohn & Söhne.«
    »Danke, Fred.«
    »Dr Kiberei war bei üs, hesch se knapp verpasst, wi’d gange
bisch.« Es war wunderbar, wie Freds gesamte Sprache inklusive Tonfärbung,
Modulation und sogar Stimmlage sich veränderte, als er das Wiener Wort für Polizei
aussprach, um danach sofort wieder in seinen natürlichen Sprachfluss
umzuschwenken.
    »Ich hab sie gesehen. Und?«
    »Hon ’n Hufa Froga gstellt. Dr Chef hat aber nüt gset.«
    »Super, bis dann.«
    »Grueziwohl.«

V
    Jetzt konnte ich mich dem iPhone widmen. Ungefähr elf
Zentimeter lang, sechs Zentimeter breit und einen Hauch mehr als einen
Zentimeter dünn. Die Hinterseite war schwarz, mit einem eleganten

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