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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Apfel als
einzigem Schmuck. Die Vorderseite war ganz Display und Glanz. Ich wog es in der
Hand, leicht wie eine Daunenfeder. Es war nagelneu, fast ungebraucht. Auf den
glatten Oberflächen waren keinerlei Kratzer zu finden. Ich schaltete ein und
durchsuchte die Inhalte. Slupetzky hatte mit seinem Technikjuwel nicht viel
angestellt. Bis auf drei Telefonnummern war nichts Persönliches zu finden. Bei
einer der Nummern konnte ich aus der Vorwahl schließen, dass es sich vermutlich
um Telefonsex handelte. Dass dies zugleich auch die am öftesten gewählte Nummer
war, ersparte mir viel Arbeit.
    Unter der zweiten Nummer, die ich anrief, meldete sich nur die
Mailbox. Leider ohne auch nur eine Spur von persönlicher Ansage, bloß eine
unpersönliche Blechstimme, die den Standardtext herunterspulte.
    Aber die dritte Nummer war ein Treffer.
    »Mihailovic hier, ja bitte.« Eine männliche Stimme, leicht heiser
und mit dem charakteristischen ›L‹ der Serben.
    »Dober dan, Herr Mihailovic, ich habe Ihre Nummer von einem guten
Bekannten. Vielleicht könnten wir uns treffen.«
    »Ist gutt. Bin daheim so in einer Stunde etwa. Ist gutt?«
    »Dobre«, sagte ich und hörte ihn lächeln. Ich atmete durch.
    »Haben Sie Adresse?«
    »Ich glaube, die hab ich verlegt, könnten Sie sie mir
sicherheitshalber noch mal geben?«
    »Herbststraße 20. 1050. Tür 6.«
    »Bis in einer Stunde.«
    Wir legten auf und ich holte tief Luft. Ich hatte mir eintausend
Ausreden zurechtgelegt, um gut bluffen zu können, aber alles war so leicht
gelaufen wie mit zerlassener Opferbutter geschmiert. So ein Telefonat ins
Blinde hinein kann auch ordentlich schief gehen. Aber heute war ein guter Tag,
ich hatte Glück gehabt.
    Ich räumte auf, packte zusammen und sperrte die Bürotüre von außen
ab. Ich verabschiedete mich noch nett von der undankbaren Sekretärin und war
schon draußen vor der Uni. Am Schottentor stieg ich in den 43er und fuhr
Richtung Gürtel hinaus zur U6-Station Alserstraße. Von dort ging’s mit der
U-Bahn weiter bis zum Urban-Loritz-Platz, wo die öffentliche Bibliothek mit der
Freitreppe eines Mayatempels über der U-Bahn-Station thront. Ich stieg aus und
überquerte die Straße. Wie immer ließ ich es mir nicht nehmen, durch die Lugner
City zu gehen. Dort regiert das pralle, ungeschminkte Leben. Zwischen dem
Frittierduft des Schnitzelhauses und dem Fischodeur des Running Sushi treibt
sich eine bunte Masse an Shoppern herum. Ramschläden, Spielsalons, Lokale und
Elektronik. Die Einkäufer geben Bilder liebenswürdiger Geschmacklosigkeit ab,
die zumindest einen gewissen Anspruch auf Eigenständigkeit erheben können. All
das strahlt eine Lebendigkeit aus, die alles ist, nur nicht angekränkelt von
des Gedanken Blässe. Babylonisches Sprachgewirr liegt in der Luft. Ich
inhalierte die Atmosphäre und bedauerte es, als ich auf der anderen Seite
wieder draußen war. Am Vogelweidplatz überquerte ich die Gablitzgasse und ließ
die Lugner City hinter mir.
    Schließlich stand ich vor der Herbststraße, Nummer 20, im 15ten.
Es war ein ansehnliches Gebäude mit der klassischen Gründerzeitfassade,
graugrün gestrichen, die Farbe blätterte ein bisschen ab. Gegenüber war eine
kleine Grünfläche mit einem Käfig zu erkennen, in dem herzhaft Fußball gespielt
wurde. Die Klingelanlage von Mihailovics Haus war offenbar defekt, aber die Tür
stand offen und so ging ich hinein. Im Halbdunkel wäre ich fast in die
herumstehenden Mülleimer gestolpert, konnte mich aber gerade noch retten, indem
ich einen Ausfallschritt zur Seite machte. Dabei stieg ich einer Katze auf den
Schwanz, die fauchend davonraste. Ich holte tief Luft. Mit der Zeit gewöhnten
sich meine Augen an das Dunkel. Vor mir ging es hinaus auf den Hof, die
Milchglasscheiben der Tür waren grau wie Schiefer und ebenso undurchsichtig.
Aber durch einen kleinen Spalt, durch den auch die Katze verschwunden war,
drang Licht herein. Daneben ging links, eine Stufe höher, der Gang weiter und
rechts die Treppe in den ersten Stock hinauf.
    Nummer 6. Wahrscheinlich im Erdgeschoss, also beschloss ich, dem
Gang zu folgen. Tatsächlich kam ich vor Nummer 6 zu stehen. Vor der Tür standen
gezählte 25 Paar Schuhe, von Frauen und Kindern. Die Tür hatte keine Klingel,
so klopfte ich. Sofort wurde geöffnet und eine alte Frau, gebeugt und bis auf
die Augen in schwarze Tücher gehüllt, sah mich an. Hinter ihr drang der
Geräuschpegel einer fröhlichen

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