Papierkrieg
sozusagen.
Ich setzte Wasser für meinen Tee auf und begann, die Post
durchzusehen. Es war nichts Interessantes dabei. Ich wollte gerade den
Papierkorb füllen, als es klopfte und die Tür aufging. Es war meine Chefin. Die
Chefin, der ich Prüfungsarbeiten abnehmen musste, die bestimmte, welche
Lehrveranstaltungen ich abhalten durfte und was ich zu lesen hatte. Sie blickte
kurz im Raum umher und rümpfte die Nase. Kein Wunder, hatte sie doch ein
großzügiges, helles Büro. Große Fenster, geschmackvolle Einrichtung und einen
unaufdringlichen Raumduft. Bei mir ließ sie sich selten blicken.
»Rauchen Sie etwa in Ihrem Büro?« Sie wedelte mit den Armen vor
ihrem Gesicht, dem sie einen angewiderten Ausdruck gegeben hatte. Wahrscheinlich
hatte sie den aufgesetzt, bevor sie bei mir geklopft hatte.
»Liegen hier etwa Zigarettenstummel herum?« Sie schob einen davon
mit der Spitze ihres Pumps zur Seite, als ob es sich dabei um ein totes
Nagetier handelte. Der Teufel trägt ganz bestimmt nicht Prada, denn Professorin
Glanicic-Werffel trägt ausschließlich René Caovilla. Einmal im Jahr fährt sie
hinunter ins Veneto, nach Fiesso d’Artico, und kauft beim Maestro persönlich in
der Via Paradisi ein. Heute waren die Schuhe auf ihr dunkelblaues Kostüm
abgestimmt, das wiederum ihre wunderbaren eisgrauen Locken hervorheben sollte.
Wie immer war sie die reine Eleganz einer platonischen Idee.
»Ich muss mit Ihnen sprechen.« Kurze Pause. Das »Nicht, dass ich
es gern täte« blieb unausgesprochen. Ihre Unterhaltungen bestanden zumeist eher
aus dem Ungesagten als aus dem, was ihr über die Lippen kam.
»Was Sie in Ihrer Freizeit zu Hause treiben, geht mich nichts an,
und davon will ich auch gar nichts wissen,« – bis auf die Arbeiten, die Sie für
mich zu erledigen haben – »was hingegen Ihr Auftreten als Mitglied des
Instituts angeht,« – wo wir beide genau wissen, dass Sie als Externer Lektor
überhaupt gar kein Mitglied des Instituts sind – »maße ich mir an, Ihnen Regeln
geben zu dürfen.«
Ich wartete unterwürfig ab.
»Für die Verlängerung Ihres Vertrages« – von dem Ihre ganze
Existenz abhängt – »sieht es ohnehin nicht günstig aus. Ihre wissenschaftliche
Produktion ist dürftig,« – weil alles unter meinem Namen veröffentlicht wird –
»die Ergebnisse der Evaluierungen sind erschreckend,« – da Sie sich weigern,
die politisch korrekten Geschlechtsendungen zu verwenden, und es einmal gewagt
haben, einer Studentin zu erklären, dass Akkusativ oder Genitiv im Griechischen
keine Frage einer spezifisch weiblichen Sicht auf die Wirklichkeit sind – »und
nun haben Sie auch noch Besuch von institutsfremden Personen zweifelhaften
Leumunds. Während Ihrer Sprechstundenzeiten!« Sie war, im Rahmen der
Möglichkeiten einer kultivierten Dame, entrüstet. Natürlich war das meine
Privatzeit gewesen, Sprechstunde war genau jetzt. Aber ich schwieg und
versuchte, ein unschuldig-verwirrtes Gesicht zu machen. Schließlich sind die
Frauen im Zorn wie das unendliche Meer, wie der Grieche sagt. Ihre Stürme kann
man nur aussitzen.
»Wenn Sie einem Privatleben obliegen, das Sie in Kontakt mit der
Polizei bringt, werden Sie einsehen müssen, dass Sie entweder dieses
Privatleben oder aber Ihre Stellung am Institut aufzugeben haben.«
Sie hatte sich schön in Rage geredet und kam wieder auf die
Aschehäufchen, die meinen Schreibtisch verzierten, zurück. »Und dass Sie nun
auch noch die Bestimmungen des Nichtraucherschutzes umgehen, ist die Höhe!«
Ihre Anschuldigung klang so schwerwiegend, als ob ich unter meinem Büro einen
Keller ausgehoben hätte, um darin kleine Mädchen zu schänden.
»Ich habe durchaus verstanden, allerdings ist im vorliegenden Fall
die Schuld nicht bei mir zu suchen, sondern bei einem Nachbarn, der …«
»Ihre Nachbarn gehen mich nichts an und dürften mich auch
keineswegs interessieren,« – vermutlich sind sie ohnehin nur grunzende
Schweine, die den Unterschied zwischen einem jambischen Pentameter und einem
Hexameter nicht erkennen können – »ein Angestellter der Alma Mater
Vindobonensis sollte wissen, wo er wohnen kann, ohne die Universität zu
kompromittieren!« Das Rufezeichen am Ende des Satzes bildete förmlich ein
eigenes Wort.
Das Air ihres Parfüms, zweifellos Chanel, aber nicht Nummer 5,
drang mir in die Nase und die Tür war zu und sie draußen. Dafür hatte ich also
zahllose Pralinenschachteln zu Weihnachten,
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