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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Großfamilie durch die Tür nach draußen. Sie
fragte mich etwas in einer Sprache, von der ich annahm, dass es Türkisch wäre.
Ich zuckte mit den Achseln, worauf die Alte nach hinten rief und zwei Frauen in
der Tür erschienen. Beide mit Kopftuch, die eine vielleicht 40 und korpulent,
die andere um die 30 und deutlich schlanker. Wieder wurde mir eine Frage
gestellt, die ich nicht zu beantworten vermochte. Worauf die drei wieder hinter
sich in die Wohnung riefen und eine ganze Horde Kinder an der Tür erschien.
Jeder Quadratzentimeter war ausgefüllt mit Kindergesichtern, in denen die
dunklen Augen neugierig strahlten. Alle Altersgruppen von 3 bis 15 waren
vertreten. Ein kleines Mädchen wollte, den Finger im Mund, aus der Tür treten,
aber die Großmutter zog sie blitzschnell zurück und schimpfte. Alle redeten
gleichzeitig. Und laut. Plötzlich wusste ich, wie sich die Tiere im Zoo so fühlen.
Um ein Haar wäre ich einfach davongerannt. Dann aber erbarmte sich ein etwa
fünfjähriger Bub.
    »Was wollen Sie denn?«
    »Ich suche Mihailovic, Tür Nummer 6.«
    Der Kleine übersetzte und alles machte »Ahhhh«. Ein neuerlicher
Sprachtumult ging los, jeder gab offenbar seine Meinung ab. Die Oma setzte sich
durch. Sie sagte dem Kleinen was. Er übersetzte.
    »Mihailovics wohnen auf der zweiten Stiege.« Beim Wort ›zweiten‹
wurden mir von mindestens zehn Händen zwei Finger entgegengereckt, und nachdem
ihm Oma weiter eingeflüstert hatte, sprach er bedächtig, »das ist hinter dem
Hof, einfach die Stiege bei den Mistkübeln hinauf.«
    Ich bedankte mich artig und ging. Alle blieben in der Tür stehen
und beobachteten, wie ich zurückging. Sie tuschelten verwundert. So etwas hatten
sie noch nicht erlebt.
    Ich durchquerte den Hof, der ungefähr drei
mal drei Meter maß und mit Mistkübeln, Fahrrädern, Kinderwagen und leeren
Kisten vollgeräumt war. Ich fand die Tür und ging auf der anderen Seite wieder
ins Haus. Dort war es ähnlich dunkel, und beinahe wäre ich der Katze wieder auf
den Schwanz gestiegen, aber diesmal war die Felidin schneller und sauste davon,
bevor der ungeschickte Zweibeiner ihr wehtun konnte. Ich ging eine steile
Treppe hinauf und stand vor einer schönen alten, holzgeschnitzten Tür. Ich
klopfte, und die Tür wurde einen Spalt geöffnet.
    »Ja bitte?« Ein weibliches Wesen sprach, mehr konnte ich nicht
erkennen. Die Stimme war volltönend, im Tonfall reines Wienerisch, aber mit
einer Ahnung von Letscho und Pleskiawitza im Hintergrund.
    »Mein Name ist Linder, ich habe einen Termin
mit Herrn Mihailovic, ich bin hier doch richtig?«
    »Mihailovic ist noch nicht da, aber er wird
bald kommen. Bitte einzutreten.« Die Kette wurde ausgehängt und die Tür
geöffnet. Vor mir lag eine große Wohnküche. An der linken Wand eine Kochzeile
mit Geschirrspülmaschine, Kühlschrank, Abwasch und Arbeitsflächen. Etwas
Geschirr stand auch herum. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer
Tisch, beinahe eine Tafel. Ohne Tischtuch, aus dunklem, poliertem Holz. Dazu
passende Schränke mit Glastüren befanden sich an den Wänden. In der rechten
Wand schaute ein Fenster hinaus auf den Hof. In der der Eingangstür
gegenüberliegenden Wand war ein Durchgang ins Wohnzimmer.
    »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein
Bier oder vielleicht einen Kaffee?« Die Dame des Hauses war um die 30. Mit sehr
dunklem Haar, das sie lang trug. Ihre Augen eine Spur heller, aber immer noch
fast schwarz. Wie viele Frauen vom Balkan war auch sie dramatisch geschminkt,
violetter Lidschatten und dunkelrote Lippen. Sie trug eine geblümte Bluse,
kupferne Armringe und eine dunkelblaue Jeans. Außerdem war sie gut gebaut und
blühte, als ob sie ein Kind unter dem Herzen trüge.
    »Gegen einen Kaffee hätte ich nichts einzuwenden.«
    »Nehmen Sie Platz, bitte. Der Kaffee ist
gleich fertig.« Ich setzte mich an den großen Tisch und wartete. Eine Minute
später war das heiße Gebräu fertig, die Frau stellte eine weiße Porzellantasse
mit Untersetzer vor mich hin und schenkte zuerst mir, dann sich selbst aus
einer italienischen Espressokanne ein.
    Der Kaffee war schwarz, ohne eine Spur von
Braun. Es hatte sich ein wenig Schaum gebildet, dessen größere Bläschen wie
Seifenblasen glänzten. Dort, wo die Bläschen in den Kaffee übergingen, spielte
ein wenig Rot in das ansonsten dominante Schwarz hinein. Aus der Tasse stieg
betörender Duft auf.
    »Milch oder Zucker?«
    »Nein danke, ich

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