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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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eine Rolex gehandelt haben
könnte.
    »Herr Linder, was kann ich für Sie tun?«
    Wir schüttelten uns die Hände. Seine Stimme war ein volltönender
Bass, obwohl wie am Telefon der Eindruck einer leichten Heiserkeit bestand. Wir
setzten uns und er gab seiner Frau einen Wink. Daraufhin verließ sie das
Wohnzimmer und ging in die Küche.
    »Ich habe Ihren Namen von einem Bekannten, und da ich über ein
paar kleinere Werke von Ernst Wildgau, aus dem österreichischen Biedermeier,
verfüge, dachte ich, dass ich einmal vorbeikomme und sehe, ob Ihrerseits
Interesse besteht.«
    Ernst Wildgau war einer der langweiligen Bilderkleckser gewesen,
die der Nachwelt kleine burgenländische Dörfer und Kirchen erhalten hatten. Er
hatte weder den Strich noch das Lichtgespür, dass sein Name die Zeiten
überdauern hätte sollen, aber für diejenigen, die mehr Geld als Kunstgespür
besitzen, war er eine Option. Meiner Meinung nach hätte man ihn hängen sollen,
aber nicht an die Wand.
    »Gutt.« In diesem Moment kam die Frau zurück, mit einer
Kaffeetasse für ihren Mann, einer Flasche und zwei Gläsern. Nachdem sie den
Kaffee eingeschenkt hatte, füllte sie für jeden von uns ein Glas aus der
unbeschrifteten Flasche, in der ein Kräuterzweig eingelegt war. Die Flüssigkeit
war gelblich und ölig. Schweres Aroma füllte den Raum und wir tranken. Der
Schnaps glitt förmlich den Hals hinab, er hatte ein hartes, mediterranes
Kräuteraroma und war zweifellos ein wirklich guter Trabaritzer.
    »Gutt. Herr Linder, was ist Beruf?«
    Ich erklärte meine berufliche Stellung und beide Mihailovics waren
ganz Respekt vor meinem Titel. Mihailovic blickte zu seiner Frau und
schließlich, nachdem er einen Schluck Kaffee genommen hatte, rang er sich
durch, mich zu fragen. Er war aufgeregt wie ein Kind.
    »Sie lesen Griechisch?«
    »Ja, durchaus. Warum?«
    »Habe da Buch, sehr alt, weiß nicht, ob echt.« Dazu machte er eine
vielsagende Geste mit der Linken, als ob er sagen wolle, dass er für die
Legalität der Sache nicht garantieren könne.
    »Lassen Sie mal sehen. Ich bin da nicht kleinlich.«
    Mihailovic stand auf, ging zur gegenüberliegenden Wand, schob ein
Bild zur Seite und öffnete einen Tresor. Mit seinem Rücken nahm er mir
vollständig die Sicht. Als er sich wieder umdrehte, war das Bild zurück an
seinem Platz, der Safe verdeckt, und er hielt eine Frischhaltefolie in der
Hand. Darin befand sich ein in ein Tuch eingeschlagener Gegenstand. Vorsichtig
trug er den Beutel zum Tisch, seine Frau hatte die Glasoberfläche freigemacht,
und Mihailovic legte ihn darauf. Er öffnete behutsam die Folie und legte das
Paket vor mich auf den Tisch. Ich wickelte das Tuch ab und es kam ein
Holzschächtelchen aus feinstem Balsa, leicht wie eine Feder, zum Vorschein. Ich
machte es mit Bedacht mit den Fingerspitzen auf. Die Mihailovics schauten mir
gebannt zu. Alle drei hielten wir den Atem an. In der Schachtel lag eine Rolle,
die aussah, als ob sie aus Papyrus wäre.
    »Haben Sie vielleicht Haushaltshandschuhe da?« Frau Mihailovic war
postwendend auf und davon. Als sie wieder zurück war, zog ich das Plastik über,
holte die Rolle heraus und legte sie auf das flach ausgebreitete Tuch. Ich
atmete einmal tief durch und zog die Rolle behutsam auf. Es war Papyrus, das
verrieten mir das leise Knistern und der Geruch. Während alte Bücher aus
Pergament immer pfeffrig riechen, bleibt Papyrus nahezu geruchlos. Wenn man
etwas riecht, dann fault es schon. Der Text war Griechisch, mit Schilfrohr in
einer schönen rotschwarzen Tinte geschrieben, die im Lauf der Jahrtausende kein
bisschen verblasst war. Meine Finger waren unter den Handschuhen schweißnass,
mein Herz raste und ich vergaß alles um mich herum. Bis mich eine Bärenpranke
berührte. Mihailovic hatte mich sicher nur leicht anstoßen wollen, aber er
kegelte mir beinahe die Schulter aus.
    »Und, ist echt? Sieht so neu aus.«
    Ich brauchte einen Moment, um wieder ganz in der Wirklichkeit
anzukommen. »Schwer zu sagen. Ohne chemische Analyse kann ich mich da nicht
festlegen.« Eine kleine dramatische Pause, die beiden hingen mir an den Lippen
wie die Studenten im Hörsaal. »Aber nach meinem Dafürhalten ist sie echt. Der
Papyrus knistert richtig, von sehr guter Qualität. Das Griechisch ist korrekt,
sowohl was die Buchstabenform als auch die diakritischen Zeichen betrifft.« Die
beiden sahen mich fragend an. »Die Striche und Punkte über den

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