Papierkrieg
Katze weder zum Trinken noch
zum Essen die Zigarette aus dem Mundwinkel nahm.
»Na, Linder, guten Morgen.«
»Wissen Sie, wo wir heute Vormittag waren?«
Der Fuchs wachelte mit einem Zettel vor meinem Gesicht hin und
her. Ich saß wieder auf dem harten Holzstuhl, während die Katze auf der
Tischplatte und der Fuchs dahinter Platz genommen hatte.
»Sie werden’s nicht glauben.«
»Wir waren in Ihrer Wohnung.«
»Und wissen Sie, was wir dort gefunden haben?«
»Besser gesagt, nicht gefunden haben?«
»Das Bild, das Sie Mihailovic verkaufen wollten.«
»An Ihren Wänden findet sich überhaupt nichts. Bis auf Dreck.«
»Mensch, hausen Sie in einem Loch.«
»Dort dürfen Sie sicher nicht mal eine Kanarie halten.«
»Genau, wär dem Tier nicht zuzumuten.«
Sie hatten also herausgefunden, dass ich geblufft hatte. Aber noch
gab ich nicht auf. »Dann haben Sie nicht genau genug geschaut. Bin Ihnen nicht
böse deswegen, passiert sicher öfter, dass Sie was Wichtiges übersehen.«
»Wir haben geschaut, aber das Bild nicht gefunden.«
»So groß ist Ihre Bruchbude mit den acht Wänden auch wieder
nicht.«
»Dann hat mich jemand in meiner Abwesenheit
beraubt.«
»Wir haben nicht mal einen Nagel in der Wand gefunden, auf dem ein
Bild hätte hängen können.«
»Ach so. Aufgehängt hatte ich es ja nicht. Ich bin Aktivist bei
›Freiheit den Bildern‹. Wir glauben nicht an Nägel und aufgehängte Bilder. Sie
sollen sich ganz natürlich wohl fühlen. Deswegen hatte ich es auch an den
kleinen Schreibtisch gelehnt. Dort hätten Sie nachsehen müssen.«
»Haben wir gemacht. War aber nicht dort.«
»Ich wiederhole mich. Es muss mich jemand beklaut haben.«
»Glaub ich nicht, dass es das gibt.«
»Dass Bilder geklaut werden? Dann haben Sie aber den Beruf
verfehlt.«
»Nein, dass es so was wie ›Freiheit den Bildern‹ gibt. Oder hast
du schon mal was davon gehört?«, wandte sich die Katze an den Fuchs.
»In den Rundschreiben des Innenministeriums war davon noch nichts
zu lesen.«
Wieder zu mir: »Was ist das für eine Organisation? Wie viele
Mitglieder, wer finanziert das Ganze?«
»Gibt’s dazu eine Web-Adresse?«
»Mitglieder: eines. Geld: keines. Homepage: under construction.«
»Aha. Sie wollen uns eine Einzeltätertheorie vorlegen. Das werden
wir aber nicht schlucken.«
»Das haben wir nicht mal unserem Ernst Fuchs geglaubt!«
»Jetzt hören Sie mir auf mit dem Blödsinn. Das war nur ein Schmäh.
Ich war einfach zu faul und hatte es nicht aufgehängt, das ist alles. Sie
müssen nicht gleich den Verfassungsschutz informieren.«
»Und das sollen wir jetzt glauben.«
»Ja, war wirklich nur ein Schmäh.«
Die beiden schauten mich an, und tauschten anschließend ein paar
Blicke untereinander aus. Ganz sicher waren sie sich nicht. Aber abgelenkt
hatte es sie allemal.
»Na gut, Linder, das wollen wir mal glauben.«
»Übrigens. Sie haben eine unwahrscheinliche Sau.«
»In Ihre Wohnung wurde tatsächlich eingebrochen.«
»Alles verwüstet. Die Spurensicherung arbeitet daran.«
»Was glauben Sie, haben die gesucht?«
»Den Wildgau.«
»Schluss jetzt mit dem Unsinn. Wir wissen doch alle, dass Sie das
Bild nicht haben. Nur beweisen können wir das jetzt nicht mehr.«
Inzwischen waren sie mit ihrem Kaffee fertig
und von den sechs germduftenden Briochekipferln war nur noch eines übrig.
Genüsslich ausatmend steckte sich Katze nach beendeter Mahlzeit eine verdiente
Zigarette in den Mund, ließ ihr Zippo aufschnappen und rauchte an. Dann blies
sie mir den Rauch mitten ins Gesicht. Das störte mich aber nicht weiter. Alles,
was für mich von Bedeutung war, stand dort auf dem Tisch. Eine heiße Tasse
Kaffee und das letzte Brioche, mit kleinen, weißen, appetitlichen
Zuckerstückchen. Ich hatte seit den Krautfleckerln von Ivanka nichts mehr
gegessen.
»Ein Frühstück wär nicht schlecht.«
»Haben die Ihnen unten nichts gegeben?«
»Nein.«
»Wir sind ja nicht im Krieg! Da, können’s das letzte Brioche haben
und a Kaffetschgerl wird sich auch noch ausgehen.« Der Fuchs schenkte aus der
Thermoskanne ein und stellte den Teller und die Tasse vor mich hin. Der Duft
stieg mir in die Nase.
»Sie trinken ihn eh schwarz, oder wollen S’ a Milch und an Zucker?
Nein? Gut. Mahlzeit.«
Beide lachten. Ohne Hände kann man nicht essen, und meine waren
mir wieder auf den Rücken geschnallt.
»Wenn Sie bitte so freundlich wären und die Güte hätten, mir die
Handschellen
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