Papierkrieg
Druck
beschuhter Sohlen zerbrochen, nur wenige noch intakt, und diese zumeist schlimm
verkratzt. Der Schmerz saß tief, aber ich hatte mich wohl ins Unvermeidliche zu
fügen und den Verlust zu akzeptieren. Vielleicht kämen im Laufe der nächsten Jahre
Gelegenheiten, die Sammlung wiederherzustellen.
Das Einzige, was wohl viel Zeit erfordern würde, waren meine
Erinnerungs- und Notizzettel in meinen wissenschaftlichen Büchern. Die Bücher
waren geöffnet und die Zettel herausgeschüttelt worden. Mit einem Schlag war so
ein Gutteil der Ergebnisse meiner Arbeit der letzten 15 Jahre zunichte gemacht
worden. Es würde Wochen brauchen, um wieder Ordnung hineinzubringen. Während
ich noch ein wenig in meiner Wohnung herumschnüffelte, saß Laura auf dem
Ohrensessel mit dem abgewetzten roten Samtbezug, auf dem ich gewöhnlich Musik
höre, und trank in kleinen Schlucken ihr Bier.
Der Kontrast zwischen ihrer makellosen Erscheinung, dem
dunkelblauen Businesskostüm und dem 16er Blech in ihrer Rechten war vor dem
Hintergrund meiner verwüsteten Substandardwohnung sehr stimulierend. Fast hätte
die Szene das Sujet für ein Werk des fantastischen Sozialrealismus abgeben
können.
»Sollen wir ausgehen? Du könntest anschließend bei mir schlafen,
hier wär es kein Wunder, wenn dich das heulende Elend holen würde.«
»Nein danke. Nach dem Häfn muss ich erst wieder runterkommen. Ich
bleib zu Hause.«
»Soll ich bleiben oder willst du lieber alleine sein?«
Eigentlich wäre ich lieber alleine gewesen, aber es galt noch ein
paar Fragen zu stellen. »Bleib nur, wär schön.«
Sie blickte mir verliebt in die Augen. Eine eiserne Faust fasste
mir ans Herz. Die zu belügen, die man liebt, ist das Schwerste am Leben.
Ich schluckte die Schuld mit dem letzten Bier in meiner Dose,
einem ausgerauchten, fade-saurem Rest, hinunter und setzte mir einen Tee auf.
Bis das Wasser kochte, räumten wir so gut auf, wie es nur
irgendwie gehen mochte. Die Platten und das zerbrochene Geschirr warfen wir
einfach weg. Stellten die Bücher zurück ins Regal, rückten die Möbel zurecht
und pfefferten meine verstreuten Exzerpte und Notizen auf den Schreibtisch.
Gott sei Dank hatte ich keine Studentenarbeiten zu Hause, das hätte unangenehm
werden können. Als das Wasser kochte und ich kurz durchgefegt hatte, ging es
wieder einigermaßen. Ich schenkte den Tee ein und wir ließen uns auf meine
Schlafcouch sinken. Der erste Schluck Tee reinigte meine Seele und nach den
nächsten zwei Tassen war ich wieder soweit gefestigt, dass ich klar denken
konnte.
»Wie hast du mich eigentlich gefunden?«
»Du hast mich nicht angerufen. Da war ich zunächst sauer. Dann hab
ich mir, wegen der Geschichte, in der du drinsteckst, ein bisschen Sorgen
gemacht. Deswegen herumtelefoniert, aber nichts rausbekommen.«
»Du hast bei Bender angerufen?«
»Jein, bei Fred.«
»Mhm, und dann?«
»Die wussten auch nichts. Heute Morgen hab ich in der Zeitung von
dem Mord gelesen und dass ein Verdächtiger am Tatort verhaftet wurde. Der hatte
deine Initialen.«
»Und wie hast du mich rausgekriegt?«
»War leicht. Nach all den Pannen der letzten Zeit wollte der
Staatsanwalt, den ich auch so recht gut kenne, nicht schon wieder einen
Unschuldigen ein halbes Jahr oder länger in U-Haft lassen. Ich musste nur ein
paar unerfreuliche Schlagzeilen erfinden und du warst draußen.«
»Du musstest keine Kaution stellen?«
»Nein, das war nicht nötig. Er hat mir einfach geglaubt, dass
keine Verdunkelungsgefahr besteht. Wenn’s geht, tauch nicht ab. Wär nicht gut
für meinen Ruf.«
»Keine Sorge, ich bin anständig und dankbar.«
»Und blöd.«
»Warum?«
»Wer lässt sich denn am Tatort eines Mordes erwischen, noch dazu
von der österreichischen Polizei? Was hattest du eigentlich dort zu suchen?«
»War wegen der Sache, in die ich da hineingeraten bin.«
»Du meinst wohl, wegen der Sache, in die du mit aller Gewalt
eingestiegen bist und die, für jeden ersichtlich, von Anfang an ein paar
Nummern zu groß für dich war?«
»Genau.«
»Erzähl mir doch davon. Zwei Augen sehen mehr als eines,
vielleicht kann ich dir helfen.«
Ich schaute nachdenklich in meinen Tee, ich war ein bisschen
langsam heute. »Hmm, weiß nicht.«
»Vertraust du mir etwa nicht?«
Diesmal war ich schneller. »Willst du was rauchen?«
»Nein danke, bin Nichtraucherin. Wär mir lieber, du würdest auch
nicht rauchen, Zigaretten stinken so.«
»Nein, ich
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