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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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nichts zu tun. Ein
Telefonanruf heute, und Mitte der Woche liegt die Batrachomyomachia vor Ihnen.
Weniger Mühe für so ein Stück ist gar nicht vorstellbar.«
    »Na gut, wie Sie meinen.«
    »Genau. Wir hören voneinander.«
    Ich legte auf. Nun hatte ich Dittrich doch mehr erzählen müssen,
als ich eigentlich gewollt hatte. Aber da ich weder wusste, wo der Papyrus war,
noch wie ich ihn wieder beschaffen könnte, war Dittrich mein letztes Ass im
Ärmel. Ich musste ihn, koste es was es wolle, bei der Stange halten.
    Ich zahlte die Rechnung für das Telefonat und ging heim. Die
Gedanken rasten durch meinen Kopf und ich hirnte wie verrückt, aber es wollte
sich einfach kein Ergebnis einstellen. Ich war ratlos. Da das Nachdenken nichts
fruchtete, beschloss ich, meine Sachen zu packen und ins Büro zu fahren. Dort
wartete schließlich jede Menge wissenschaftlicher und bürokratischer Arbeit auf
mich.
     

II
    Nachdem mein beschauliches Gelehrtendasein in der
letzten Woche restlos in sich zusammengefallen war, genoss ich es, in meine
Arbeit einzutauchen. Kaum zu glauben, aber sogar die administrativen
Tätigkeiten, die mit der letzten Universitätsreform notwendig geworden waren,
schienen mir unterhaltsamer als sonst. Ich war allerdings noch nicht allzu weit
gekommen, als mir ein Zettel in die Hände fiel, den ich vergessen hatte. Ich
sollte morgen, Dienstagnachmittag, einen Vortrag halten. Gott sei Dank hatte
meine Chefin keinen Augenblick gezögert und mein Thema schon bestätigt, bevor
ich auch nur von dem Vortrag in Kenntnis gesetzt worden war. Ich sollte über
Homer und die Bedeutung seiner Texte für die Entwicklung der abendländischen
Kultur sprechen. Schönes Wald- und Wiesenthema, zu dem sich gut improvisieren
lässt. Nach kurzem Zögern entschloss ich mich dazu, überhaupt keine
Vorbereitungen zu unternehmen, sondern morgen Nachmittag um fünf einfach zwei
Gläser Sekt auf nüchternen Magen zu trinken und leicht illuminiert meiner
Beredsamkeit freien Lauf zu lassen. Mozart hat schließlich die Kadenzen zu
seinen Klavierkonzerten auch kaum jemals durchgearbeitet und Charlie Parkers
Soli entstanden auch immer im Moment, auf der Bühne, warum sollte ich mich also
mit weniger zufriedengeben?
    Kaum hatte ich den Entschluss gefasst und meine kurzzeitig
verloren gegangene Seelenruhe wiedererlangt, als sich ohne ein höfliches
Klopfen die Tür öffnete und meine Chefin hereinkam. Frau Professor
Glanicic-Werffel war wie immer elegant gekleidet. Diesmal hatte sie ein
Tweedkostüm an, das mit dem Gegensatz von biederem Oxford-College-Professor-Stoff
zu weiblich-aufregendem Schnitt reizvoll spielte.
    »Ich hoffe, Sie haben das Wochenende genützt, um Ihren Vortrag
vorzubereiten. Diese Interdisziplinäre Vortragsreihe wird von höchsten und
allerhöchsten Universitätsgremien gehört. Das ist eine wirkliche Chance für das
Institut, das um sein Überleben kämpft und sich profilieren muss.«
    Sie atmete einmal kurz durch und schien abzuwägen, wie viel sie
mir erzählen könnte. »Wir stehen kurz vor dem Rauswurf. Sogar die
vergleichenden Literaturwissenschafter haben schon Drittmittel!« Sie ließ nach
neuester Mode das ›l‹ aus, was gerade für eine Philologin eine Schande ist.
Schließlich heißt es ja auch nicht Künster oder Sporter. Aber auch das war
eigentlich nur ein Zeichen für den Geist der Zeit. »Wir können es uns schlicht
und einfach nicht leisten, diese Gelegenheit zur Präsentation ungenützt
verstreichen zu lassen. Wir müssen unser Profil schärfen. Gut gekleidet,
intelligent, weltoffen, kulturübergreifend interessiert. Das sind die Attribute,
die positiv auffallen. Ich will auf keinen Fall einen Vortrag hören, in dem es
um homerische Partikel geht! Auch auf Etymologien hat niemand mehr Lust, außer
sie sind vielleicht gender-relevant. Aber auch dann sparsam einsetzen. Und ich
will Fremdwörter, Linder! Verwenden Sie klare, einfache Sätze mit simplem
Inhalt und garnieren Sie das Ganze mit ein paar Wörtern, die keiner kennt.«
    »Wenn dieser Vortrag so wichtig für das Institut ist, warum
brauchen Sie dann mich dafür?«
    »Mich kennt man längst, und wir müssen die ganze qualitative
Breite des Instituts präsentieren. Die anderen, nun gut, Sie wissen, dass …«
    »… die Kollegen nicht im Sinne des Anforderungsprofils
präsentierbar sind. Wollten Sie das damit zum Ausdruck bringen?«
    »Ja. In etwa.«
    »Sollten wir in diesem Fall nicht

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