Papierkrieg
wenigstens eine Philologin
entsenden? Schließlich wollen wir nicht den Eindruck vermitteln, eine Bastion
hinterwäldlerischer Männerbündler zu sein wie das Philosophische Institut.«
»Sie haben schon recht, Linder, aber das Problem hat uns Ihr Herr
Doktorvater eingebrockt, indem er Sie hier reingesetzt hat. Sie wären mir als
Frau, am besten mit Migrationshintergrund und Dreadlocks, auch lieber. Aber das
sind die Fakten, die müssen wir akzeptieren.«
Ihr Blick war eiskalt und ich sah sie im Geiste die Möglichkeit
einer Blitzoperation erwägen. Eine gender-gemainstreamte Philologin, die einmal
ein Mann gewesen war, das wäre innovativ und würde das Institut auf Jahre
hinaus retten. Diese Gedanken musste ich schnell abwürgen, bevor mir daraus noch
unliebsame Konsequenzen erwüchsen. »Dann soll ich also ein bisschen auf die
zivilisatorische Funktion der Sprachgelehrsamkeit eingehen, die für das
Funktionieren einer pluralen Gesellschaft unabdingbar sind. Wie Toleranz,
Pazifismus und Freiheit?«
»Genau. Spielen Sie die Trumpfkarte des Humanisten als Lehrer
aus!«
»Die Tatsache, dass gerade die Generationen, die am stärksten
humanistisch erzogen wurden, den Nationalsozialismus installiert und zwei
Weltkriege entfesselt haben, verschweigen wir aber besser? Oder sollen wir,
angesichts des zu erwartenden Rechtsruckes bei den nächsten Wahlen, uns schon
vorausschauend einem blau-braunen Universitätsminister an die Brust werfen?«
»Lassen Sie die Witze, Linder. Nach der Wahl ist das früh genug.
Wir müssen das nicht im vorauseilenden Gehorsam einbringen.«
Danach herrschte einen Moment Stille. Glanicic-Werffel war
aufgefallen, was sie da gesagt hatte. Sie räusperte sich verlegen und merkte
an: »Sie verstehen mich schon. Wenn alles gut geht und Sie dazu beitragen, das
Überleben des Instituts zu sichern, wird auch das Institut für Ihr Überleben
sorgen. Und vergessen Sie die geschlechtsneutralen Endungen nicht. Wir sehen
uns.«
Damit verließ sie mein Zimmer. Ich schenkte mir Tee aus dem
Samowar nach und lehnte mich zurück. Um mich auf den Vortrag angemessen
vorzubereiten, war es ohnedies zu spät. Jetzt konnte ich nur mehr dem Schicksal
die Zügel in die Hand legen, mich in die Zuschauerränge begeben und auf einen
interessanten Ausgang der Affäre hoffen.
Ich hatte mich gerade dazu durchgerungen, ein paar Takte Musik zu
hören, als es an der Tür klopfte. Schnell simulierte ich intensive
Arbeitsamkeit und ließ ein zerstreutes »Herein« hören. Die Tür ging auf und
herein kamen meine russischen Freunde, Boxer und Augenbraue. »Sie haben
Termin.«
»Davon hab ich aber gar nichts gewusst. Das nächste Mal
verständigen Sie mich im Voraus und machen mit meiner Sekretärin einen Termin
aus. Momentan sehe ich mich gezwungen, Ihre liebenswürdige Einladung abzusagen,
da ich leider nicht abkömmlich bin.«
»Doch. Mittagessen. Mitkommen.«
Augenbraue blieb an der Tür stehen und blockierte sie mit seinen
Schultern. Boxer machte zwei geschmeidige Schritte in Richtung auf meinen
Tisch. Drohend blieb er stehen. Perfekt ausbalanciert, zum Schlag bereit. Es
blieb mir nichts anderes übrig, ich musste der Gewalt weichen und mich
einverstanden erklären. Boxer hielt mir meinen Mantel hin, ich sperrte mein
Büro ab und wir verließen die Universität. In der Grillparzerstraße wartete ein
schwarzer Mercedes auf uns und Boxer hieß mich einsteigen.
»Was, kein Wolga? Habt ihr kein Vertrauen mehr in eure eigenen
Autos?«
»Schluss mit Sprüche! Einsteigen.«
Er hielt mir die Tür auf und stieß mich recht unsanft hinein.
Augenbraue saß vorne beim livrierten Chauffeur und Boxer hinten, rechts neben
mir. Wir fuhren den Ring hinunter zum Marriott, dort in die Tiefgarage und mit
dem Aufzug hinauf in eine der Suiten.
Oben angekommen klopfte Augenbraue sachte an die edle Tür. Boxer
stand hinter mir, der Chauffeur war beim Wagen geblieben. Die Tür öffnete sich,
ein russischer Ikeaschrank lugte heraus und forderte uns nach eingehender
Musterung mit einem Kopfnicken dazu auf, einzutreten.
Die Suite war atemberaubend. Hell und großzügig angelegt, mit
luxuriöser, doch geschmackvoller Einrichtung. Werke moderner Meister, genau auf
den Farbton der Wohnung abgestimmt, durften genauso wenig fehlen wie der
obligatorische Flachbildfernseher.
Wir legten ab und gingen ins Wohnzimmer, das durch eine große
Fensterfront einen Blick auf den ersten Bezirk freigab. In der
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