Papierkrieg
nichts ein. Schließlich gab ich auf
und fing einfach an, alle Anagramme von ›Code‹ durchzuprobieren, sowohl auf
kyrillisch als auch in Latein.
Da die Anzahl der Permutationen auf eine
Menge von n Elementen genau n ist, hatte ich jede Menge Arbeit vor mir.
Schließlich reicht die Palette der zwölf möglichen Wörter im Serbischen von
›moral‹ bis zu ›instrukcija‹, alles zusammengerechnet waren es über 200
Möglichkeiten. Irgendwann hatte ich alle durch, jedoch ohne Resultat. Der
Zugang zu den lebensrettenden Daten blieb mir verwehrt.
Wie ich so grübelnd vor dem Computer saß,
fiel mir siedend heiß ein, dass ich Laura versprochen hatte, sie anzurufen. Ich
holte mein Handy heraus und wollte ihre Nummer wählen, als mir schlagartig
bewusst wurde, dass ich jetzt nicht mit ihr reden wollte. Also beschloss ich,
ihr zu simsen.
Ich war gerade beim Schluss, der aus »Küsse, Arno« bestand,
angelangt, als ich des Rätsels Lösung hatte. Das Handy legte ich beiseite und
tippte ›C, m, d, d‹ in das Dialogfeld. Daraufhin erschien eine Excel-Datei mit
Namen, Preisen, Kontaktadressen, Daten und Gegenständen.
Ich war vielleicht ein skrupelloser Arsch, aber auch ein Genie.
Das entschädigt für vieles. Imponierende Idee von Frau Mihailovic, das Passwort
durch die T9-Schreibhilfe eines Handys zu schicken. Würde ich mir merken
müssen.
Vi
Eifrig
blätterte ich durch das Dokument. Es war zwar anfangs nicht ganz leicht
herauszufinden, wie alles zusammenhing, aber nach und nach lernte ich
Mihailovics Buchführung zu lesen. Zuerst ordnete ich die verkauften
Gegenstände, denn nur um die handelte es sich, nach dem Zeitpunkt, da sie
Mihailovic in die Hände gefallen waren. Unter der Gruppe der Einträge, die für
das Geschäft zwischen Bender und Mihailovic infrage kamen, gab es unter etwa
zwei Dutzend Namen nur einen, den ich kannte und der noch dazu einer der Player
in unserem kleinen Spiel war: Meyerhöffer. Er hatte vor zehn Tagen ein
Bild von Mihailovic gekauft, einen kleinen russischen Impressionisten aus dem letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu den anderen Käufen, die er
beim Serben getätigt hatte und den Gemälden, die ich in seiner Villa gesehen
hatte, fiel dieses Bildchen aus dem Rahmen. Weder vom Preis noch von seinen
Maßen her passte es in Meyerhöffers Kunstverstand. Mit 50 x 30 und dem Titel
›Gans auf einer Sommerwiese‹ schien es nicht dazu geeignet zu sein, zu
beeindrucken und zu repräsentieren.
Neben Meyerhöffers Vorlieben und dem Erwerbs- und Verkaufsdatum
fügte es sich auch sonst gut in die Sammlung eines russischen Kunstfreundes.
Alles passte haargenau zusammen. Erleichtert lehnte ich mich zurück und
speicherte die Datei unter anderem Namen irgendwo in den chaotischen Abgründen
meiner Harddisk.
Ich erhob mich und setzte Wasser auf. Während ich darauf wartete,
dass es zu kochen beginnen würde, reinigte ich meine Arare gründlich mit einem
feuchten Tuch und stellte mich vor meinen Speiseschrank. Ebenso wie meine
Teekanne stammt auch meine Teesammlung noch aus einer Zeit, als das Geld ein wenig
üppiger vorhanden gewesen war. Nach eingehender Untersuchung fanden sich zwei
Teesorten, die dem Augenblick angemessen waren. Der eine war ein Matcha Hikari,
ein gepulverter, japanischer Grüntee der absoluten Spitzenklasse. Die saftig
grüne Tasse besitzt ein völlig eigenes, leicht süßliches Aroma. Die Hikaritees
sind recht selten und bieten ein außergewöhnliches Erlebnis.
Der andere in der Auswahl war ein Keemun Chuen’cha, einer der
wenigen chinesischen Schwarztees von internationalem Renommee. Ich hatte ihn in
einer luftdichten Box verschlossen, denn die Qualität schwankt enorm zwischen
den einzelnen Ernten und manchmal ist jahrelang kein ordentlicher zu bekommen.
Seine bräunlichrote Tasse besitzt eine Ahnung von Rosenaroma und er ist samtig
weich, wie die Schenkel einer Göttin.
Nachdem ich eine Weile die verschiedenen Für und Wider
gegeneinander abgewogen hatte, pfiff der Teekessel und es musste eine
Entscheidung getroffen werden, bevor ich das Wasser zu Tode kochte. Napoleon
kam mir mit seiner Behauptung in den Sinn, dass eine schnelle Entscheidung auf
dem Schlachtfeld immer einer richtigen vorzuziehen sei. Also wählte ich den
Keemun und goss auf, stellte die Uhr und trug die Kanne zur Couch. Ich hatte
etwa zwei Minuten Zeit, um fristgerecht meine andere Belohnung in Form einer
Aromatherapie
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