Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
Vom Netzwerk:
mitteilen. »Den ganzen Tag pudern is a ka Gschpaß.«
    Irgendwie schien er mit seiner Feststellung nicht ganz zufrieden.
Er grübelte über das eben Gesagte nach und fügte einräumend hinzu: »Natürli,
manchmal brauchen’s a starke Hand, aber des is eh bei alle Weiber so.«
    Nachdem ›In the presence of the Lord‹ mit
einem ziemlich coolen Gitarrensolo, das mit einem krachigen Breakeinstieg
loslegte, vorbei war, verabschiedete ich mich und ging.
    Unten in meiner Wohnung sperrte ich die Tür hinter mir ab, machte
mir einen Tee warm und setzte mich hin. Ich zog den Brief mit dem braunen
Packpapierumschlag aus meiner Manteltasche. Absender stand keiner drauf,
zumindest keiner, den ich lesen hätte können. Ich öffnete vorsichtig den
Umschlag, drinnen fand sich ein gefaltetes Blatt Papier und eine CD-ROM. Ich
begann zu lesen.
    Der Brief war von Sonja Mihailovic. Sie
schrieb nach ein paar einleitenden Worten: »Mihailovic will Ihnen nichts davon
sagen, aber weil Sie so freundlich waren und uns geholfen haben, will ich Ihnen
auch was Gutes tun. Ich habe Ihnen die Datei von Mihailovic kopiert, in der die
Verkäufe mit Slupetzky aufgeführt sind. Das wird Ihnen sicher helfen …«, dann
kamen ein paar Floskeln und der Brief schloss. Darauf folgte ein kleines, nicht
unwichtiges Postscriptum: »Die Datei ist passwortgeschützt. Es lautet einfach
›Code‹.«
    Das war entschieden zu viel für mich. Hier
saß ich Idiot, hatte mich hoffnungslos in die Patsche geritten, aus der es kein
Entkommen mehr gab. Dazu hatte ich eine reizende Frau mit ihrem ungeborenen
Kind mitsamt Vater und Ehemann auf dem Gewissen. Ein echter Mann würde jetzt
einfach mit steifer Oberlippe die bittere Pille schlucken. Aber nein, ich wand
mich heraus, und wenn es dazu eines Briefs aus dem Jenseits bedurfte. Mir war
kein Preis zu hoch und kein Verbrechen zu schrecklich. Ich ekelte mich vor mir
selbst.
    Aber nur kurz, dann wischte ich die
Selbstvorwürfe zur Seite und spielte die CD-ROM auf meinen Computer. Ich
öffnete die Datei und tippte in das Dialogfeld die Buchstaben ›C, o, d, e‹ ein
und drückte Enter. Ich wartete einen Augenblick und musste lachen. Denn der
Code war falsch. Ich dachte kurz nach. Klar, die Mihailovics waren Serben, sie
schrieben in kyrillischer Schrift. Ich stellte meine Sprach- und Zeichenwahl um
und gab wieder ›C, o, d, e‹ ein. Wieder nichts.
    Mein Gewissen atmete durch. Ich war doch
verdammt, das Schicksal hatte es nur besonders niederträchtig gemeint und mir
eine Chance vorgegaukelt, wo gar keine bestand. Doch mein böses Ich gab keine
Ruhe und ich googelte nach einem serbischen Wörterbuch. Nachdem ich ein
bisschen gestöbert hatte, fand sich auch eines. Es führte zwölf mögliche
Übersetzungen für das englische ›Code‹ an. Ich probierte alle durch, sowohl in
lateinischen als auch kyrillischen Buchstaben. Noch immer hatte ich keinen
Zugriff, es war frustrierend.
    Ich dachte ein wenig nach. Dann legte ich mir
die ersten drei Brandenburger Konzerte von Bach auf, richtete mir meine
Utensilien her und baute mir einen kleinen Joint. Irgendwie musste ich ja die
Gehirnwindungen in Gang bringen. Mit dem ersten Zug schaltete ich den CD-Player
ein und die herrliche Musik flutete durch den Raum. Geordnet, geschmackvoll und
wunderbar logisch. Ich inhalierte tief und hielt bei geschlossenen Augen den Atem
an, solange es nur irgendwie gehen mochte. Dabei konzentrierte ich mich
ausschließlich auf die Musik, bis der Schmerz in den Lungen zu groß wurde und
ich ausatmen musste. Das wiederholte ich, bis der Rauch so heiß wurde, dass es
beim besten Willen nicht mehr auszuhalten war. Ich nippte an meiner Teetasse
und setzte mich wieder vor den Bildschirm. Obwohl ich einen Mäusejoint gemacht
hatte, war ich ganz schön high, mein Hinterkopf brannte, als ob ihn eine
glühende Hand anheben würde, und meine Beine kribbelten, als ob ich in einen
Ameisenhügel geraten wäre. Außerdem war mir furchtbar kalt. Ich holte meine
Decke und warf sie mir über die Schultern, ich hatte mich wohl ordentlich
verkühlt. Am liebsten hätte ich jetzt alles stehen und liegen gelassen und mich
einfach auf die Couch geworfen, um zu schlafen. Aber irgendwie kramte ich den
letzten Rest von Stolz und Willen hervor, den ich nur irgendwie auftreiben
konnte und machte mich daran, des Rätsels Lösung zu finden.
    Aber auch das THC verhalf mir zu keiner neuen
Inspiration. Mir fiel genau genommen gar

Weitere Kostenlose Bücher