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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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getan? Hast du bedacht,
wie sehr er unter seiner Häßlichkeit leiden muß? Hast
du denn seine Befangenheit nicht bemerkt, nicht sogleich
ihre Ursache erkannt? Weil ihm seine Häßlichkeit
angesichts deiner Schönheit doppelt schmerzlich
fühlbar wurde.«

    E s war mir gelungen, das
Grundstück, welches Mariposa in Holland geerbt
hatte, um einen unerwartet günstigen Preis zu veräußern.
    Einige Tage später wurde ich von meiner Bank verständigt,
daß die gesamte Barsumme der Verlassenschaft,einige fünfhunderttausend holländische Gulden,
für Mariposas Rechnung überwiesen worden sei.
Das war für österreichische Begriffe ein ganz gewaltiges
Vermögen.
    Ich rief ihn sogleich an und teilte ihm die freudige
Nachricht mit: »Das müssen wir begießen, Mariposa.
Man gibt heute in der Oper ›Fidelio‹. Ich schlage vor,
daß ich für uns drei — Désirée, Sie und mich — eine
Loge nehme. Und nachher gehen wir in eine Bar. Désirée
hat eingesehen, daß sie sich letzthin ungehörig benommen
hat. Sie wird von nun an sehr nett zu Ihnen
sein.«
    Während der Vorstellung blickte ich nur selten auf
die Bühne, da mir die wohlbekannte primitive Handlung
nichts, die von mir so sehr geliebte und bewunderte
Musik alles bedeutete. Wie doch jedes nichtssagende
Wort des unbeholfenen Textes, getragen von
den mächtigen Schwingen dieser Musik, in ungeahntem
Glanze erstrahlte!
    Während ich nun, gänzlich ihrem Zauber hingegeben,
vor mich hin starrte, streifte mein Blick zufällig
Mariposas. Ich konnte ihn fortab kaum mehr abwenden,
so sehr fesselte mich der Ausdruck seines Gesichtes.
    Es war wie Verklärung, die sich über seine Züge ergoß,
die ihre Häßlichkeit vergessen ließ. Wie unter
einem Blütenregen neigte er sein Haupt, und dankbares
Entzücken, schwärmerisches Sichbesinnen, ungeheuere
Entschlossenheit leuchteten aus seinen Augen
in wunderbarem Wechsel. Wie jemand, der in heiligem
Glanze seines Lebens Ziel erschaut und nun aus tiefstem
Grunde seines Herzens gelobt, sie ihm zu weihen.
    Immer wieder erinnerte er mich an Beethoven. Ein
einsamer Genius, doch verschlossen, abgeschlossen
von der Welt durch seine Häßlichkeit, und in gewaltiger
Zusammenraffung seiner Kräfte schafft er Wunderwerke
jenseits des Begreiflichen.
    Was werden wohl die Wunderwerke sein, die dieser
andere Beethoven ersinnt? Hält er sie noch geheim, hat
er sie noch nicht vollendet?

    N ach der Theatervorstellung
gingen wir in eine Bar. Wir besetzten eine Loge,
so daß wir nur von den servierenden Kellnern gesehen
wurden und von den Tanzpaaren, wenn sie auf dem
Parkett an uns vorbeiglitten. Mariposa hatte seinen
Platz überdies so geschickt gewählt, daß er hinter dem
großen Blumenstrauß, der den Tisch schmückte, fast
unsichtbar blieb.
    Ich bestellte Sekt, denn ich war in festlich heiterer
Stimmung. Mariposa war in den Besitz eines Vermögens
gelangt, das ihm zeitlebens behaglichen Wohlstand
sicherte. Mir selbst hatte er — heute nachmittag
war es — als Entgelt für meine anwaltlichen Leistungen
eine Summe angeboten, deren gewaltige Höhe meine
berechtigten Ansprüche um ein Vielfaches übertraf.
Ich wies das Übermaß zurück, denn ich erblickte darin
— daraus machte ich ihm kein Hehl — kein Anwaltshonorar,
sondern eine Art Lebensrettungsprämie für
mein Verhalten bei der Kriegsgerichtsverhandlung.
Doch bestand er darauf, daß ich es annehme, wenn
schon nicht als Entgelt für meinen geleisteten, so dochals Vorschuß für meinen künftigen Beistand, dessen er
nie würde entraten können.
    Ich war eben im Begriff, mein Glas zu erheben, um
einen kleinen Toast zur Feier des heutigen Tages zu
halten, da wurde ich von einem der Tanzpaare — es
war einer meiner besten Klienten und dessen Frau —
bemerkt. Der Mann unterbrach den Tanz und trat auf
unsere Loge zu. Ich ging ihm entgegen, geriet ins Gespräch
und konnte seiner Einladung, ihm an seinen
Tisch zu folgen, nicht wohl abschlagen.
    Dank meiner aufgeräumten Stimmung war unsere
Unterhaltung sehr angeregt. Die Höflichkeit gebot,
daß ich die Frau meines Klienten — übrigens eine sehr
elegante Dame — zum Tanz aufforderte. So verstrich
die Zeit wie im Fluge, und als ich auf die Uhr sah, bemerkte
ich zu meiner Bestürzung, daß ich Désirée und
Mariposa über eine halbe Stunde allein gelassen hatte.
    Ich war auf Schlimmes gefaßt, als ich an meinen
Tisch zurückkehrte. Denn Désirée verstand in solchen
Dingen keinen Spaß. Sie war sehr empfindlich und
duldete keine anderen Götter

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