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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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auf die Menschen,
ihr Sinnen und ihr Wirken ist dir fremd und
ferne; die großen Weltbegebenheiten, das tückisch-kurzweilige
Spiel um Macht und Ehre bleibt dir unverständlich.
    Der Garten ist geschmückt mit Bildern einer Frau.
Auf allen Wegen, in allen Nischen findest du das Bildwerk
dieser Frau, bald zürnend, bald liebend, betrübend
und beglückend. Über alle Gipfel, über alle
Maße ragt ihr Weihtum, weithin überschattet es die
Landschaft.
    Ihr kennt den Garten, den ich meine; denn wer ihn
je betrat, vergißt ihn nie: den Zaubergarten sehnsuchtsvoller
Liebe, die Stätte holden Trugs, den friedlosen
Bezirk maßlosen Wahns.
    *     *     *
    Adalbert von Achenbach galt zur Zeit für einen der vornehmsten
Poeten deutscher Zunge. Seine Bewunderer
priesen ihn als den edelsten Verkünder deutschen Wesens,und auch seine Gegner anerkannten, daß er sich
fernhielt von dem Gezänke und Gefeilsche des marktenden
Alltags, gänzlich hingegeben seiner dichterischen
Sendung.
    Er wohnte in derselben Stadt wie Mario. An Nachmittagen
pflegte er sich in den Augen des Stadtwäldchens
zu ergehen, seitab von den belebten Wegen, versunken
in seine Entwürfe.
    So finden wir ihn eines stillen Nachmittags auf der
gewohnten Wanderung. Der Tag war herbstlich klar,
und seine sanfte Heiterkeit begünstigte poetische Betrachtung.
    Einsam ging Achenbach dahin. Sein Antlitz trug
den Ausdruck leidender Ergriffenheit und dankbarer
Verzückung. Derselbe Ausdruck war’s, ins Geistige erhoben
und ins Männliche gesteigert, den jener Maler
seiner Danaë verliehen hatte: die Freude der Empfängnis
von der Gottheit.
    Der Zufall führte Mario desselben Weges. Auch er
kämpfte mit der Gottheit. Er hoffte von der Stille, daß
sie tönen werde, er hoffte, seine Qualen zu gestalten.
Gebeugten Hauptes kam er daher, wie einer, der unendlich
steile Höhen zu erklimmen hat, zornige Entschlossenheit
in seinen Zügen.
    Ein seltsam unvergeßliches Widerspiel: der Kämpfer
und der Sieger, die verzweifelnde Jugend und die triumphierende
Männlichkeit, der Flehende und der Begnadete.
    Mario blickte auf. Sogleich erkannte er die ihm aus
manchem Buch so wohlbekannten Züge, sogleich begriff
er, welches Glück den anderen just erfüllte. Daß
er ihm jetzt begegnen mußte, dem Glücklichen, dessen
ausgezeichneter Name ihn so oft zu neuen Mühenmahnte, gerade jetzt in seinen schweren Kämpfen, das
brachte ihm seine Not doppelt schmerzlich ins Gedächtnis.
Doch nahm er’s auch als eine gute Vorbedeutung:
Wer auf wildem Meere treibt, freut sich, wenn er
unversehens das ersehnte Eiland schaut, wenn er auch
nicht weiß, ob er es erreichen wird. Tränen traten ihm
in die Augen, und er grüßte so tief und demütig, wie er
keinen Fürsten gegrüßt hätte. Und ging des Weges wie
einer, der auf fremdem Grunde von dessen mächtigem
Gebieter betreten wird und der von dannen schleicht,
nun seiner Armseligkeit erst recht bewußt.
    Doch Achenbach hatte wohl erkannt, welch seltsamen
Gefühlen diese Huldigung entsprang; sie rührte
ihn. Wenn wir reichlich bedacht wurden, treibt uns das
überquellende Gefühl des Glücks, den ersten besten
Bettler auf der Straße zu beschenken. Er kehrte um,
blickte Mario prüfend ins Angesicht, als wollte er sich
seines Eindrucks nochmals vergewissern, und fragte
mit einem strahlend gütigen Lächeln: »Sie schreiben
etwas?«
    Mario stammelte ein Ja.
    Wohl selten ward eine Lüge gläubigeren Sinnes vorgebracht.
Denn was schrieb er denn, was hatte er geschrieben?
Er wollte schreiben.
    »Kann ich Ihnen helfen? Suchen Sie mich einmal
auf: Sie wissen, wo ich wohne.«
    So war sein Hoffen nicht vergeblich gewesen! War
diese Begegnung nicht ein Fingerzeig, der ihn auf seine
Sendung hinwies? Hatte ihn nicht der untrügliche
Blick des Dichters als einen Schaffenden erkannt?
    Und er schloß sich ein, und in zwei drangvoll reichen
Tagen schrieb er nieder, was ihm Herz und Sinn
bewegte.
    Ein Roman war es. Das heißt, um bei der Wahrheit
zu bleiben, ein Roman sollte es werden; vorderhand
war es nur ein Romankapitel. In selbsterzählender
Form berichtet der Held seine Erlebnisse.
    Als er es vollendet hatte, war sein erstes Vorhaben,
Achenbach aufzusuchen. Nun hatte er doch, wie er es
auszudrücken pflegte, seine Existenzberechtigung bewiesen
und brauchte nicht mit leeren Händen vor ihn
hinzutreten. Auch schwebten ihm irgendwie Erinnerungen
aus der Literaturgeschichte vor: Schubert, der
zu Beethoven, Grillparzer, der zu Goethe wallfahrte.
    Freilich,

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